Scheune Edition Kitzbühel: Architekt Mark Neuner und die Agentur mostlikely schaffen ein neues Original in der geschichtsbewussten Region rund um Kitzbühel. Ein Einfamilienhaus das traditionelle Formensprache und Materialien auf überraschende Weise neu inszeniert. Ganz ohne Kitsch und Klischee, aber nicht frei von Magie.
Original statt Kopie: die gewachsene Struktur respektieren.
Die Aufgabe: ein Einfamilienhaus in Going am Wilden Kaiser, in der beliebten Region rund um Kitzbühel. Das wirft Fragen auf: wie baut man zeitgenössisch und nähert sich dennoch behutsam der historischen Umgebung an? Welche Formen und Materialien prägen die (bauliche) Landschaft und wie können diese weiterentwickelt werden? Welche Häusertypologien finden sich in der gewachsenen Umgebung? Um diese Fragen zu beantworten haben sich Architekt Mark Neuner und die Agentur mostlikely viel Zeit genommen. Das Ziel: neue, gute Architektur zu entwickeln, die das Alte honoriert aber eben nicht unhinterfragt kopiert. „Wir wollten dem gewachsenen und zusammenhängenden Respekt zollen, ohne uns anzubiedern“, so Mark Neuner. Und weiter: „denn diese charakteristische Architekturlandschaft verleiht romantische Identität und schafft die regionale Authentizität, die den Charme der Region und damit auch die Eckpfeiler des Tourismus bilden.“
Der Anspruch war die Anmut des idyllischen Bergdorfes Going am wilden Kaiser nicht nur zu erhalten sondern auch das zukünftige Entwicklungspotential aufzuzeigen. Das führte zu der Entscheidung das Bekannte und Bewährte anders zu interpretieren und neu zu inszenieren.
Das ideale Vorbild: versteckt sich in der Scheune.
Ausgedehnte Spaziergänge und intensive Recherche der Geschichte sowie den Klischees die mit der Region Kitzbühel verbunden werden, waren die Grundlage für die „Vermessung der Umgebung“. Diese sowohl körperlichen und auch geistigen Ausflüge führten zu einem Gesamtbild das voll von Komplexität und Widerspruch war. Diese Spurensuchen, die mostlikely auch „Arbeiten in Bildern” nennt, verhilft zu einer Sensibilität für den Ort. Auf diese Weise näherten sie sich dem Ziel ländliche Bauformen und heutige Wohnansprüche zusammenzuführen. Und vor allem half es den Blick für das Alltägliche neu zu schärfen „so entdeckten wir in der Scheune, also dem allgegenwärtigen „Stadl“, den Prototyp der Modell für unsere weitere Entwicklung stand“.
Die Typologie des Stadels mit dem gemauerten, massiven Sockels im Kontrast zu dem darüber liegenden, offenen Heuboden aus Holz faszinierte mostlikely. So wurde der Stadl zur Inspirationsquelle und nicht die dunklen, kleinteiligen Bauernhäuser.
Betonblume: spielerischer Umgang mit schwerem Material
Die Umsetzung ihres Entwurfsgedanken - die Weiterentwicklung des Stadels - findet sich besonders ausgefeilt in der Fassade des Sockelbereiches wieder. Anstatt Stein wählten Sie Beton, statt einfacher Fassade eine innovative Technik. In ihrer nahezu manischen Zusammenarbeit konnten Mark Neuner und der Bildhauer Stefan Buchsbaum schon einige Prototypen aus Beton erschaffen und so auch diesmal: erstmalig schafften sie mittels einem Styroporkern so leichte Betonplatten, dass selbst das Garagentor unsichtbar in die Fassade integriert werden konnte. Damit aber nicht genug der Magie:
Fabelwesen und Pflanzen die an mythische Bergsagen erinnern wurden mittels einer speziell entwickelten Verzögerungstechnik ähnlich Grafittitags in die Betonplatten eingeätzt. So wurde die moderne Leichtbauweise konsequent weiterentwickelt, aber nicht ohne spielerischem Umgang.
Offen und doch geschützt: ein Hangrundstück mit atemberaubendem Ausblick.
Ein bislang als schwierig geltendes Hanggrundstück wurde als Chance erkannt um beide Ebenen auch wirklich ebenerdig zu nutzen. So wurden die privaten Schlaf- und Badezimmer im blickgeschützten Erdgeschoss untergebracht. Der Wohnbereich ist im ersten Stock komplett offen angeordnet und wird durch verschiedene Niveaus sowie einer schwebenden Galerie in unterschiedliche Bereiche aufgeteilt. Küche, Wohn- und Essbereich sind optisch als auch durch unterschiedliche Raumhöhen voneinander getrennt und gehen doch fließend ineinander über. Eine intime Fläche auf der Galerie erlaubt den Rückzug für Mußestunden und gibt gleichzeitig den Blick auf das spektakuläre Bergpanorama des Wilden Kaisers frei. Insgesamt ist das gesamte Haus durch großzügige Fenster und Terrassentüren ganz nah an den Berg gerückt, ohne dabei die Nachbarn ins Blickfeld zu rücken.
Der erste Eindruck des offenen Wohnbereichs wird vom raumbildenden, großzügigen Dachstuhl geprägt. Bei genauerer Betrachtung rücken aber immer stärker die unterschiedlichen, fein abgestimmten Materialien von Sichtbeton, Naturstahl und unterschiedlichen Holzarten sowie die eigens entworfenen Möbeln in den Vordergrund. In seinem Zusammenspiel wirken diese Details nie aufdringlich sondern entfalten durch ihre Feinheit eine neue Eleganz.
Architekt: Mark Neuner & Mostlikely Architecture
Statik: Prostatik
Baumeister: GTB Bau
Zimmermann: Lengauer Stockner
Tischler: Holz Toni
Elektrik:: Erik Adler
Installateur: Brunnschmid
Fassadenplatten: Betonkraft
Materialien:
Decken und Mauern: bewehrter Beton und Ziegeln
Dämmung: Holzwolle, Mineralwolle
Dachstuhl: Leimbinder, regionale Tanne
Holzfassade und Zaun: sägerauhe Lärchenbretter, unbehandelt, in
verschiedenen Breiten
Steinfassade: Betonplatten, angefertigt von Stefan Buxbaum
Dach: geschieferte Bitumenbahnen
Boden: Eichendiele geölt, gehobelt
Wandoberfläche: Sichtbeton, Kalkputz mit Mineralfarbe
Treppen: Sichtbeton, gewachstes Naturstahl
Stiegengeländer: gewachstes Naturstahl und Riemenleder natur
Ausstattung:
Heizung: Fussbodenheizung, Gasboiler mit Warmwasserspeicher
Elektrik: Bus system
Wohnfläche: 310.0 m2
Jahr: Start 2011; Fertigstellung 2013
Grundstück: 575sqm
Terrassen: 190sqm
Stcokwerke 2 1/2
Fotograf: Maik Perfahl
Text: Irina Nalis
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