Die Hochschule für nachhaltige Entwicklung (HNE) Eberswalde – kann als „grünste Hochschule Deutschlands“ auf eine 184-jährige Tradition zurückblicken. Jetzt hat ihr Waldcampus mit dem Bau des neuen Mensa- und Lehrgebäudes, nach den Plänen des Berliner Architekten Andreas Gehrke, seine architektonische Mitte gefunden. Die Besonderheit: Das Gebäude ist nahezu vollständig aus Holz. Die Anzahl an Gebäuden öffentlicher Nutzung welche in Holzbauweise realisiert werden ist in Deutschland noch immer verhältnismäßig gering.
Was dem Waldcampus bislang fehlte, war ein zentraler Ort, an dem sich Campusangehörige und Studenten austauschen können ganz nach dem Grundgedanken der „mensa academica“, die nicht nur der Nahrungsaufnahme dient, sondern auch Ort für Kommunikation und fachlichen Austausch ist. Basierend auf dieser Beobachtung entwarf der junge Berliner Architekt Andreas Gehrke ein in den Hang eingeschobenes, zweigeschossiges Gebäude. Es öffnet sich mit seiner östlichen Stirnseite einem konkaven Außenraum, der mit seinem Herzstück – der Mensa - die neue Campusmitte bildet.
Städtebaulich ist die Form der terrassierten Freifläche oder Campusmitte eine Reminiszenz an das angrenzende als Halbkreis ausgebildete Hörsaalgebäude, das das Bild des Waldcampus prägt. Sie greift seine Form in der topographischen Umkehrung auf und verstärkt somit dessen Wirkung. Der neu modellierte Platz erinnert mit seinen ihn umgebenden Sitzstufen an ein Amphitheater – ein kommunikativer Ort für das Campusleben. Die Sitzstufen des Außenraums setzen sich als Sitzwand im Speisesaal fort. Eine permanente Bühne, die Studenten zu Protagonisten einer alltäglichen und doch immer wieder einzigartigen Szene werden lässt.
Der teilweise zweigeschossig ausgebildete Speisesaal verbindet die beiden Ebenen des Gebäudes, die sich als „oberes und unteres Erdgeschoss“ artikulieren. Im oberen Erdgeschoss befinden sich Seminarräume, Gastprofessorenbüros wie auch ein Bereich zur Kinderbetreuung, die sich zum Hörsaalgebäude orientieren, während das „untere Erdgeschoss“ eine offene Küche mit Bewirtungsfläche und den Speisesaal birgt. Begünstigt durch die besondere topografische Situation im Hang hat der Baukörper keinen Hauptzugang im herkömmlichen Sinne, sondern verschiedene gleichberechtigte Zugänge auf beiden Ebenen. So kann auf ein baurechtlich eigentlich notwendiges Treppenhaus verzichtet werden. Diese Art strategischer Einsparungen ermöglichte eine räumliche Großzügigkeit, die sich den Nutzern beispielsweise in Form von teilweise doppelter Raumöhe oder auch einem zusätzlichen überdachten Außenraum, der Loggia, präsentiert.
Das Verweben von außen und innen, gebautem und gewachsenem Raum ist ein weiteres wichtiges Motiv des Entwurfes: Immer wieder öffnen sich dem Besucher Sichtachsen, die die Landschaft in das Gebäude zu ziehen scheinen. Diese verallgegenwärtigen den Bildungsschwerpunkt der Hochschule und lassen in ihrer konzeptionellen Essenz keinen anderen Baustoff zu als den gewählten: Holz – Außen Lärche und Innen Fichte. So präsentiert sich das Gebäude von außen als ‚monolignischer’ Block – mit der Zeit silbrig grau schimmernd, der im Innenraum weiß lasiert und witterungsunabhängig die „alterslose“ Seite des Materials inszeniert.
Auch konstruktiv war der Neubau eine Herausforderung: Die Überspannung des gesamten 250qm großen Speisesaals erfolgt mittels nur einer Stütze und einem geschosshohen Fachwerkträger, dessen technische Präsenz gezielt als gestalterisches und gleichermaßen raumbildendes Element genutzt wurde.
Die gerichtet vertikale Wandverkleidung prägt den Raumeindruck und zieht sich bis zur Außenhaut – was zur Verschmelzung von Innen- und Außenraum beiträgt und sich als Reminiszenz an die umgebenden Wälder versteht. Um die homogenen Erscheinung des Gebäudes zu verstärken, wurden notwendige technische Elemente wie beispielsweise Tiefenabsorber, Akustiknuten, Leuchten und Kabel in die Holzstapeldecken integriert.
Die Nutzer wünschten sich vom Neubau eine Verbindung des neuen Mensagebäudes mit dem Hörsaalgebäude, um bei Tagungen und Konferenzen die Teilnehmer bewirten zu können. Die Organisation des Neubaus entspricht diesem Wunsch und schafft weitere Interaktionsflächen. Das „obere Erdgeschoss“ ist ebenerdig mit dem Hörsaalgebäude verbunden und lässt damit den Neubau als harmonischen Erweiterungsbau erkennbar werden. Zusätzlich verbindet auch ein Aufzug die untere Ebene des Neubaus mit dem Erdgeschoß des Hörsaalgebäudes, was durch eine anspruchsvolle Unterfangung möglich wurde. Auf dieser Ebene des „obere Erdgeschosses“ dient der Neubau sich dem Hörsaalgebäude auch räumlich an: Die vier geräumigen Seminarräume tragen der wachsenden Studentenzahl Rechnung, die integrierte Kindertagesstätte bietet bis zu acht Kindern Platz. Der Anspruch der Hochschule, nachhaltig und familienfreundlich zu sein, wird auch in diesem Raumkonzept sichtbar.
Die Gebäude übergreifende Erschließungsachse des „oberen Erdgeschosses“ mündet im Neubau in einer Loggia, die den Studenten als witterungsgeschützter Treffpunkt dient. Ihre offene Front bietet einen unverstellten Blick auf die umgebenden Wälder des Barminer Höhenzuges. Nicht allein der Blickbezug und die hier unterrichteten Studienfächer bilden den Bezug zum Thema Wald: „Er hat uns geradewegs durch das Projekt getragen“, so der Architekt, seine Farben und Formen spiegeln sich im ganzen Gebäude architektonisch interpretiert wieder. So stehen vor den Fenstern der Nord- und Westfassade vertikale feststehende Lamellen, die in ihrer Ausrichtung an Bäume denken lassen. Ebendiese Elemente befinden sich auch an der Südfassade, doch hier elektrisch steuerbar, so dass wie in einem Wald das Sonnenlicht mehr oder weniger Einlass findet und das Leben in der neuen Campusmitte begleitet.
Bauherr: BLB Brandenburg
Nutzer: HNE – Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde
Bauzeit: 2011-2013
Baukosten: 3,9 Mio. Euro (KG 300+400)
BGF: 1.700 qm
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