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Haus "Schreber"

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Strukturelle und energetische Sanierung eines Siedlungshauses in Aachen. Am nördlichen Stadtrand von Aachen gelegen ist das kleine Siedlungshaus aus den 1920er Jahren mit großem Garten, das die Bauherren im Winter 2010 erworben haben. Für den Raumbedarf der neuen Eigentümerfamilie mit drei Kindern wurde das Haus mit nur 70 qm Nutzfläche um einen zweigeschossigen Anbau und damit um 50 qm Fläche erweitert. Das Bestandsgebäude ist in einfacher Bauweise als Mauerwerksbau mit einer Klinkerfassade ausgeführt. Während der Entwurfsphase stellte sich die Frage: „Wie weiterbauen?“ Die Lösung: Ein Anbau und das zum Teil neue Dach entwickeln die vorgefundene, schlichte Gebäudestruktur zu einem großzügigen, offenen und kompakten Wohnhaus, das die Einfachheit der vorhandenen Materialien mit zeitgenössischen Mitteln fortführt. Im Erdgeschoss des Anbaus fließen Haupthaus und Garten ineinander. Hier ist ein Hauptwohnraum in der Art eines ‚Gartenzimmers‘ entstanden, der durch die Materialverwendung auch atmosphärisch zwischen Innen und Außen vermittelt: Das offene Betonskelett ist großflächig verglast und gibt den Blick auf Garten und Umgebung frei. Die Fensterrahmen und die neue Türe aus Aluminium schreiben in ihrer Materialwahl die vorhandenen Fenster, die in den 60er Jahren erneuert wurden, fort. Auf eine Erneuerung der alten Fenster wurde bewusst verzichtet, da das Haus durch diese Mischung – Klinker mit silbernen Aluminiumfenstern – einen eigenen Charakter hatte, den man erhalten wollte. Des Weiteren waren die Bestandsfenster in gutem Zustand und im Sinne des nachhaltigen Wirtschaftens konnte man den Bauherren davon überzeugen das knappe Budget in wichtigere raumbildende Maßnahmen zu investieren. Die östliche Außenwand des Haupthauses aus rotem Klinkerstein wurde gereinigt und dominiert nun als Innenwand den Raumcharakter des ‚Gartenzimmers‘. Kontrastiert wird die Rauigkeit des Klinkers mit dem feinen, weiß gelaugten Dielenboden. Die Raumerweiterung des Hauses zum Garten hin, die Öffnung des Treppenhauses in das Obergeschoss und die neue Wandvertäfelung der Treppe mit integriertem Handlauf hat die Rolle der alten Holztreppe gewandelt. Sie ist nun mit ihrer ochsenblutroten Farbe das prägnante Element des Entrées, das als zentraler Raum Alt und Neubau, Erd- und Obergeschoss großzügig miteinander verbindet. Der vorgefundene rot-weiße Fliesenboden des Eingangs liegt nun wie ein Teppich mitten im Haus. Folgt man der Treppe und dem Licht in das Obergeschoss, so gelangt man in den privaten Wohnbereich. Vier Schlafzimmer mit jeweils eigenem Charakter bieten Raum für zwei Erwachsene und drei Kinder. Das neue, innen liegende Bad wird über einen Lichtschacht natürlich belichtet. Durch geschickte Überlagerung dient die Decke des Badezimmers als Schlafempore des angrenzenden Kinderzimmers im Bestandsgebäude. Im Obergeschoss des neuen Anbaus sind zwei Zimmer für die beiden Söhne der Familie entstanden. Weiterer Raum wurde im Dachspitz des Altbaus aktiviert, der vom Flur über eine Leiter erreichbar ist und Raum für Übernachtungsgäste, Rückzug oder Lager bietet. Die dunkelrote Klinkerfassade des Bestandsgebäudes verzahnt sich mit dem Anbau aus unverputztem Bims-Leichtbeton-Mauerstein, der das vorhandene Material zeitgemäß interpretiert und sich farblich mit dem Bestand zu einem neuen, kompakten Baukörper verbindet. Der Anbau berücksichtigt die Tatsache, dass es sich bei dem gesamten Baukörper um ein Doppelhaus handelt. Die beiden Hälften verbinden sich durch die gewählte Dachform auch auf der Gartenseite wieder zu einer Einheit. 1+1=1. Bei Gebäuden verhält sich der Entstehungsprozess in seiner Erscheinung spiegelbildlich zum Prozess des Vergehens, bzw. Abbaus. Wie auch die Patina dokumentiert der Zustand des „Vor-Fertigen“ die Geschichte des Objekts und macht sie ablesbar. In dem Projekt „Schreber“ betonen die sichtbar belassenen, rauen Materialien die Oberflächen und schaffen - ähnlich der Patina, die im Laufe der Jahre auf Oberflächen und Objekten entsteht - eine lebendige Struktur. Den Oberflächen wird dadurch das harte „Neue“ genommen und mehr Plastizität und Lebendigkeit verliehen. Die Architektur will nicht auf eine stromlinienförmige Verdichtung hinaus, sondern auf das Besondere, das Wahrnehmungsräume aufbricht, vertraute Blickmuster sprengt und den rauen, spröden Charme der ehemaligen Arbeitersiedlung fortführt. Die Erscheinung stellt sich sichtbar gegen den Mainstream des allzu Glatten und Perfekten. Die beengten Raumverhältnisse haben sich in Weite und Leichtigkeit als zeitgemäßes Wohngefühl gewandelt.

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