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Kelterhalle des Weinguts Bietighöfer in der Südpfalz

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Die Philosophie des Weingut Bietighöfer im Ortsteil Mühlhofen der Gemeinde Billigheim-Ingenheim in der Südpfalz ist es, „einen persönlichen, individuellen Wein mit höchster Qualität und mit naturnahen Produktionsmethoden herzustellen.“ Dass diese Philosophie Erfolg hat, beweisen die Kritiken der innovativen Weine, die der junge Winzer Stefan Bietighöfer (Jahrgang 1986) kreiert, der das Weingut in sechster Generation gemeinsam mit seinen Eltern führt. Er möchte Neues schaffen, mit Neuem experimentieren und so die Potentiale der Weinregion über das möglicherweise verstaubte Image der Tradition hinaus wachsen lassen, die ausgetretenen Pfade der Pfalz verlassen. So lag es auch nahe, das sich der Winzer im Zuge der notwendigen Errichtung einer neuen Kelterhalle für das Weingut nicht einfach nur einen Funktionsbau errichten wollte. Er will mit dem Bau ebenso Zeichen setzen, wie er es mit seinen Weinkreationen macht. Denn neben der Erschaffung von neuem Arbeitsraum – der Kelterhalle – sieht die Planung zudem eine neue Vinothek vor, die in 2014 die Umsetzung eines Gesamtkonzepts für das Gut abschließen soll. Verantwortlich für die Planung ist das Architekturbüro Burkhard aus Landau in der Pfalz. Der Entwurf Die neue Halle wurde notwendig, da die alte Kelterhalle durch die vollzogene Erweiterung der Rebfläche nicht mehr die notwendigen Kapazitäten bieten konnte. Im Zuge dieser Expansion wurde das Gesamtkonzept fürs Gut erstellt, das neben der Halle und der geplanten Vinothek auch die Erneuerung der Außenanlagen, der Wirtschaftshöfe und der Außenwände von Teilen des Bestands umfasste. Alle Neubauten sind dabei aus Sichtbeton. Um die bebaubare Fläche maximal auszunutzen, wurde die neue Kelterhalle direkt an die sogenannte „Blumenhalle“ angebaut. Diese dient zukünftig als Tanklager und ist – als gestalterischer Kontrapunkt zum Beton - mit 4x1,25m Cortenstahlplatten verkleidet. „Beim Entwurf der Kelterhalle haben wir uns sowohl an der bestehenden Gebäudehöhe der Blumenhalle, am bestehenden Geländeniveau und der Vorgabe von 5,50m maximaler Höhe auf der Grundstücksgrenze orientiert. Entstanden ist somit ein rechteckiges Gebäude von 21x13m Grundfläche, das sich in seiner Höhenentwicklung mittig um 1,50 Meter, von hofseitig sieben Metern Höhe auf grenzseitig 5,50 Meter, abtreppt,“ beschreibt Architekt Felix Burkhard den Baukörper der Kelterhalle. Was hierdurch entsteht, ist eine Höhenentwicklung, die dem Kubus nichts an Kraft nimmt, ihn aber dynamisch, ja nahezu gefällig, ins Ensemble des Guts und des Ortskerns integriert. In die obere Abstufung der Dachfläche ist zudem ein durchgehendes Lichtband integriert, das für eine ausreichend natürliche Belichtung der Halle sorgt. Weitere Öffnungen sind mit den zwei notwendigen Türöffnungen und einem Sektionaltor ebenfalls sehr reduziert und schlicht gehalten. Ein über Eck laufender, festverglaster Sichtschlitz gibt Besuchern von der davor liegenden Terrasse Einblick in die Produktionsstätte. Das Baufeld befindet sich in Ortsmitte des Weinbauortes Mühlhofen, einer traditionellen Pfälzer Weinbaugemeinde. Der Bestand des Guts entspricht der romantischen Vorstellung, es ist ein traditionelles Gut mit viel Fachwerk und Sandsteinmauern, die von Wein- und Rosenranken geziert werden. Die Erstellung des Neubaus, die mit der straßenseitig gelegenen Vinothek das Nebeneinander von zeitgenössischer und traditioneller Architektur im Ortskern verankern wird, ist also nicht nur die symbolhafte Trennung zwischen privatem Lebensraum und dem Arbeitsplatz, sondern auch ein harter Schnitt, der nicht für alle Bewohner des kleinen Orts leicht zu verdauen ist. „Ich werde im Ort immer noch gefragt, wann die neue Halle denn endlich verputzt würde, der Beton sei ja noch zu sehen, und das zumindest müsse an dem neuen Klotz doch noch getan werden“, so berichtet Stefan Bietighöfer von Reaktionen aus dem Ort. Mitgebracht hat Bietighöfer seine Ideen für den Bau von Reisen in die Schweiz und nach Österreich, wo es ihm vor allem das Weingut Loimer in Langenlois im Niederösterreichischen Kamptal angetan hat. Dort hatte der Winzer Fred Loimer bereits 2000 auf einem historischen Ziegelgewölbekeller einen minimalistischen schwarzen Kubus errichten lassen und damit das liebliche Kellergassen-Ensemble ordentlich aufgemischt. Die Pfälzer Analogie, eine Bausünde im toskanischen Stil, immer noch der bevorzugte Stil in der Region und darüber hinaus, war mit Bietighöfer nicht zu machen. Betonbau „Man wird sich im Ort daran gewöhnen, dass sich unser Weingut verändert hat und dass ein Monolith aus Beton nun zum Bild der Ortschaft gehört“, ist sich Bietighöfer sicher. Dass es ein Neubau aus Sichtbeton sein sollte, stand für ihn nie zur Debatte, auch dass alle Arbeiten in Ortbeton auszuführen seien, daran lies er bereits in den ersten Gesprächen mit den Architekten keinen Zweifel. „Im Weingut werden sehr puristische Weine produziert, deshalb sollte auch ein puristischer Bau, ohne „Schickschnack“ entstehen, der diesem Anspruch Rechnung trägt“, so Felix Burkhard. Da das Gebäude optisch außen und innen identisch sein sollte und der Bau zudem als Produktionsstätte für das Kulturgut Wein strengen klimatischen Anforderungen genügen muss, musste man über eine Dämmung nachdenken, die in den Mauern integriert sein musste, eine additive Dämmung kam nicht in Frage. Zudem sollte man die Schalungsfugen sehen, um auf diese Weise die Erstellung des Gebäudes nachvollziehen zu können; deshalb eben Ortbeton, deshalb eben kein Gedanke ans Verputzen. Wände und Deckenplatten sind rundherum aus bewehrtem LC 25/28 Beton in einer Stärke von 35cm erstellt. Die klimatischen Anforderungen an den Innenraum (im Winter müssen mindestens +4 C°, im Sommer die Maximaltemperatur von +23C° gewährleistet sein) ließen die Wahl des Materials auf einen Leicht- oder Dämmbeton von Liapor fallen. In der gewählten Rezeptur erreichen Wände und Decken in dieser Dimensionierung einen Wärmedurchgang von 0,5 W/mK bei einer Rohdichte von 1,4 und können damit aus dem Material selbst heraus die geforderten Werte erzielen. Nach dem Gießen der Bodenplatte zwischen Oktober und Dezember 2012 - sie besteht aus 30 cm starkem, bewehrtem C 30/37 Beton – verhinderte der strenge Winter Anfang 2013 den Beginn der Arbeiten an den Wänden bis Mitte März. Vor der Aufnahme der Arbeit an den Wänden wurde ein Probestück von 2,00 m*4,50 m betoniert um sowohl die Betonrezeptur als auch den problemlosen Einsatz der Schalhaut zu gewährleisten. Die Wände wurden anschließend in vier Takten betoniert. Als Schalung wurden Schaltafeln aus Vollkunststoff der Firma meva in einer Größe von 2,70 m x 2,40 m verwendet . Betoniert wurde direkt auf die volle Höhe von 5,20 m auf der Westseite, und 6,85 m auf der Ostseite des Gebäudes. Gefüllt wurde der Beton mittels Kübeln und Schüttrohr. Nach je ca. 60-80 cm Füllhöhe wurde in einem sehr geringen Abstand mittels Rüttelflasche verdichtet. Für die nächste Schichten wurden anschließend kürzere Füllrohre verwendet. Die beide abgestuften Deckenplatten sind ebenfalls in 35cm Dicke ausgeführt und mit der gleichen Schalung erstellt. So erhalten alle Wandflächen des Gebäudes den gleichen Charakter. Die Dachflächen werden über jeweils zwei Flachdacheinläufe entwässert, der Beton wurde dafür nur leicht ins Gefälle gezogen, grundiert und mit einer Dichtschlämme beschichtet. Eine Attika im klassischen Sinne wurde bewusst nicht ausgebildet. „In der Pfalz tut sich was. Gerade die junge Winzergeneration hat durch ihre Ausbildung im In- und Ausland erfahren, dass Architektur mehr sein kann als eine rein funktionale Hülle. Für mich als Architekt sind das natürlich spannende Aufgaben, da man sich immer auch mit einer meist über Generationen gewachsenen Bausubstanz auseinandersetzen muss. Bei diesem Bauvorhaben war relativ schnell klar das man den Mut hat, traditionelle und moderne Architektur offensiv zu verbinden.“ so der Architekt Felix Burkhard. Verständnis und Vertrauen in den Anderen waren und sind fruchtbare Bestandteile des Projekts und sichern den Spaß und den Erfolg des Projekts. Fazit Weine und Kelterhalle des Weinguts Bietighöfer tragen die Charakteristika der gradlinigen Eleganz, ohne opportunistisch zu sein; denn sie ecken an und bleiben in Erinnerung. Dem Bauherrn und den Architekten ist es mit dem Neubau der Kelterhalle und der Gesamtplanung für das Weingut gelungen, ein ganzheitliches Konzept umzusetzen und allen funktionalen Anforderungen mühelos nachzukommen. Das Material, der Beton, war dabei nicht Mittel zum Zweck sondern ganz selbstverständlich und ohne Alternative. Bauherr/Bauort: Weingut Bietighöfer GbR, 76831 Billigheim-Ingenheim, Ortsteil Mühlhofen Architekt: burkhard|architekten, 76829 Landau/Pfalz Bauunternehmer: Otto Andelfinger GmbH, 76891 Busenberg Bauzeit: 10-12/2012 und 03-06/2013

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