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Gedenkstätte Ahlem

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Neue Gedenkstätte Ahlem wird am 25. Juli feierlich eröffnet Region Hannover. Erinnern, informieren, aufklären: Die neue Gedenkstätte Ahlem wird am Freitag, 25. Juli, feierlich eröffnet. Auf dem Gelände der ehemaligen Israelitischen Gartenbauschule ist in den vergangenen 15 Monaten ein Informations-, Bildungs- und Gedenkzentrum entstanden, dessen Strahlkraft weit über die Grenzen der Region Hannover hinausreicht. Das Besondere des Ortes liegt darin begründet, dass er von jüdischer Kultur und Hoffnung, aber auch von Verbrechen und Vernichtung zu berichten weiß: Von 1893 an wurden an der Heisterbergallee jüdische Jungen und Mädchen in Gartenbau und Handwerksberufen ausgebildet. Dann kamen 1941 die Nazis und missbrauchten den Ort als Sammelstelle für Deportationen. Ab 1943 waren Folter – später Morde – in dem „Polizei-Ersatzgefängnis“ für Zwangsarbeiter, politische Häftlinge, Sinti und Roma bis zur Befreiung blutiger Alltag. Die neue Gedenkstätte macht das eine wie das andere Kapitel der Geschichte sichtbar und ist in dieser Form einzigartig in Deutschland. „Ahlem ist ein Gedenkort für die Menschen, die hier gelebt, gelernt und gearbeitet haben und den Nationalsozialisten zum Opfer gefallen sind. Wir wollen sicherstellen, dass diese Menschen nicht in Vergessenheit geraten und dass sich Intoleranz und Ausgrenzung, Antisemitismus und Faschismus niemals wiederholen“, betont Regionspräsident Hauke Jagau. „Mit der neuen Gedenkstätte machen wir Ahlem außerdem zu einem lebendigen Lernort für die nachfolgenden Generationen. Besucherinnen und Besucher haben die Möglichkeit, sich aktiv und vertieft mit der Geschichte auseinanderzusetzen. Im Fokus der Ausstellung stehen die Menschen, deren persönliches Schicksal mit Ahlem verbunden ist“, ergänzt Jagau. Zeitzeugin Ruth Gröne wohnte einige Jahre in einem Judenhaus auf dem Gelände der einstigen Gartenbauschule. Ihr Vater wurde dort von den Nationalsozialisten verhaftet und deportiert. Er überlebte den Holocaust nicht. Ruth Gröne lebt noch heute in Ahlem und hat die Neukonzeption der Gedenkstätte kritisch begleitet. „Was ich heute hier sehe, macht mich zufrieden: eine würdige Gestaltung und Ausstellung, die Ahlem nach Bergen-Belsen zur bedeutendsten Gedenkstätte in Niedersachsen macht. Ich bin sicher, die zahlreichen Opfer würden sich einen solchen Ort gewünscht haben.“ Umbau und Neugestaltung In einem europaweit ausgeschriebenen Wettbewerb für die Neugestaltung der Gedenkstätte hatte die Arbeitsgemeinschaft Ahrens Grabenhorst Architekten, IKON Ausstellungsgestaltung und Landschaftsarchitekt Marcus Cordes (chora blau) für ihren Entwurf 2011 den ersten Preis zugesprochen bekommen. „Uns war es wichtig, dass sich die bewegte Geschichte der Gartenbauschule mit all ihren Brüchen auch in der Architektur spiegelt“, so Architekt Roger Ahrens. Nach seinen Plänen wurde das ehemalige Direktorenhaus an der Heisterbergallee kernsaniert und ausgebaut. Ein neues Eingangsgebäude ist entstanden, dessen gläsernes Foyer den Blick auf den Außenbereich der Anlage lenkt. Dieser nimmt in seiner Gestaltung Bezug auf den alten Schulgarten. Er wurde vom Landschaftsarchitekten Marcus Cordes gestaltet: „Mit der Überlagerung und Durchdringung der in das Parkgrundstück integrierten Schulgartenstrukturen sowie den als Rasenschneisen ausgebildeten Fluchtlinien wird die für die Geschichte dieses Ortes so bezeichnende Ambivalenz hervorgehoben.“ Ein Weg parallel zur Heisterbergallee verbindet die unterschiedlichen Bereiche der Dokumentations- und Gedenkstätte miteinander. Bei den Umbauarbeiten wurden im Treppenhaus des Gebäudes alte Wandmalereien entdeckt, die nach historischem Vorbild wiederhergestellt werden konnten. „Diese überraschende Kostbarkeit wollten wir gern bewahren“, berichtet Stefanie Burmeister, Leiterin der Gedenkstätte. Im 2. Obergeschoss des Gebäudes wurden im Zuge der Arbeiten außerdem Säulen freigelegt und in das neue Raumkonzept integriert. Die Kosten für die Umgestaltung der Gedenkstätte Ahlem belaufen sich auf rund 6,3 Millionen Euro, die von der Region Hannover getragen werden. Förderpartner der Umgestaltung sind der Förderverein der Gedenkstätte Ahlem e. V., die Sparkasse Hannover, das Land Niedersachsen, der enercity-Fonds proKlima, die Stiftung Niedersachsen, die Landwirtschaftskammer Niedersachsen sowie die Klosterkammer Hannover. Ausstellung und pädagogisches Konzept Für den denkmalgeschützten Altbau hat ein Team aus Historikerinnen und Historikern, Politologinnen und Politologen, Pädagoginnen und Pädagogen sowie die Firma IKON Ausstellungsgestaltung ein neues Ausstellungkonzept erarbeitet. Ausstellungsmacherin Martina Scheitenberger: „Die Ausstellungsarchitektur interpretiert die verschiedenen Zeitschichten der Israelitischen Gartenbauschule und macht sie lesbar.“ Die Wände der knapp 400 Quadratmeter großen Ausstellungsfläche sind in gedecktem Blau und Beige gestrichen und mit Texten, Fotos sowie Bildschirmen versehen worden. Auf ihnen sind Interviews mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zu sehen. Informationsstelen geben ebenfalls Auskunft zu einzelnen Aspekten der Ausstellung. Im ersten Obergeschoss der Ausstellung liegt der Fokus auf Verfolgung und Ausgrenzung während des Nationalsozialismus in Ahlem. Das zweite Obergeschoss ist dem deutsch-jüdischen Leben in der von dem Bankier Moritz Simon gegründeten Gartenbauschule gewidmet. Dieser Bereich stellt die Geschichte in den Jahren von 1893 bis 1942 und nach der Befreiung 1945 dar. Im Dachgeschoss befinden sich modern ausgestattete Seminarräume. Im Sockelgeschoss des Neubaus bietet ein Veranstaltungsraum Platz für Lesungen, Sonderausstellungen und Zeitzeugengespräche. Im Erdgeschoss befindet sich eine Mediathek. „Wir freuen uns auf interessierte und aktiv forschende Besucherinnen und Besucher, denen wir unsere Dokumente mit modernen Medien zugänglich machen möchten“, erklärt Stefanie Burmeister. „Fragen, entdecken, verstehen“, so das Motto des pädagogischen Angebots, das von kurzen Führungen über mehrtägige Workshops bis hin zu langfristigen Projekten reicht. Ein Team von Pädagoginnen und Pädagogen steht Schulklassen und -gruppen ebenso wie Lehrkräften ab dem Schuljahr 2014/2015 zur Seite, begleitet sie durch die Räumlichkeiten und beantwortet Fragen. Tag der Offenen Tür Besucherinnen und Besucher sind eingeladen, die neue Gedenkstätte Ahlem zu besichtigen und sich ein persönliches Bild von den Ausstellungsinhalten zu machen. Beim Tag der Offenen Tür am Samstag, 26. Juli, ist die Gedenkstätte Ahlem von 10 bis 16 Uhr geöffnet. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen den Interessierten für Fragen und Führungen durch die Ausstellung zur Verfügung. Um 14.00 Uhr wird der Historiker Dr. Hans-Dieter Schmid im Gerson-Saal der Gedenkstätte einen Vortrag mit dem Titel „Ahlem – Bilder und Geschichten“ halten. Der Eintritt ist frei. Öffnungszeiten der Gedenkstätte Ahlem Die Gedenkstätte Ahlem ist zu folgenden Zeiten für Besucherinnen und Besucher geöffnet: Di. und Mi. 10-17 Uhr, Do. 10-19 Uhr, Fr. 10-14 Uhr, So. 11-17 Uhr. Mo., Sa. und an Feiertagen geschlossen. Der Eintritt ist frei. ------ Die ehemalige Israelitische Gartenbauschule Ahlem war ein lebendiger Lern- und Bildungsort, an dem neben der Vermittlung gärtnerischen Wissens auch die Erziehung und damit das Lernen im alltäglichen Miteinander einen hohen Stellenwert hatten. Diesem übergeordneten Prinzip folgend wird eine gestalterische Konzeption zum Moritz-Simon-Haus entwickelt, welche eine Kombination von dokumentarischer Vermittlung ehemaliger Zeitschichten und der sinnlichen Erfahrung einzelner Erinnerungsmomente vorsieht und hervorhebt. In der Neugestaltung des Geländes werden demnach über räumliche Verortungen besondere Zeitfenster eröffnet und zugleich Einschnitte formuliert, die neue Verbindungen zwischen den Erinnerungen an einzelne Ereignisse ermöglichen. Die Dokumentations- und Gedenkstätte wird von der Heisterbergallee mit Anbindung an die Stadtbahnhaltestelle Ehrhartstraße über einen Zugang erschlossen, der der ehemaligen Zufahrt zur Gartenbauschule entspricht. Den Auftakt in das Gelände bilden drei in den Belag eingelassene COR-TEN-Stahl-Platten, welche die Position der ehemals an der Straße gelegenen Toranlage markieren. Die Platten korrespondieren mit der am Direktorenhaus errichteten Rekonstruktion der Toranlage und führen somit in das Areal hinein. Von dort erstreckt sich in Ost-West-Richtung eine Wegachse auf Straßenniveau, die alle wesentlichen Bereiche der Dokumentations- und Gedenkstätte verbindet und miteinander in Beziehung setzt. Sie ist weiterhin über eine Treppenanlage an den angrenzenden Parkplatz angebunden. Mit Blick auf die Fassade des Direktorenhauses führt der Hauptweg die Besucher zum großzügigen Eingangsbereich, der Platz für Veranstaltungen und temporäre Ausstellungen bietet. Von der offenen Halle her ist der anschließende Gartenbereich einsehbar. Er ist von Feldstrukturen geprägt, die die Kultur und Tradition des gärtnerischen Anbaus an diesem Ort offenbaren. Staudenbeete, Kräuterfelder und Obststrauchplantagen wechseln sich gegenseitig ab. Sie zeichnen die Gliederung und Proportion der hier bis 1936 angelegten Schulgärten nach und bieten Raum für gärtnerische Tätigkeiten interessierter Besucher- oder Schülergruppen. Über eine solche Begegnung wird der Garten erlebbar, wodurch sich Besucher diesem besonderen Ort nähern und ihn sich aneignen können. Der mit Hecken eingefasste Gartenbereich liegt innerhalb der ihn umgebenen Parkfläche, die von einer Wiesenfläche und den vorhandenen Gehölzbeständen geprägt ist. Die zum Teil historisch bedeutenden Bäume (Kastanie mit Brandspuren) werden innerhalb des einheitlichen Wiesenfeldes neu miteinander in Beziehung gesetzt. Als Einschnitte ausgebildet durchziehen Rasenstreifen das Gelände, die durch Holzborde eingefasst sind und von Holzstegen begleitet werden. Über diese Wegräume sind weitere bedeutende Orte miteinander verbunden: Als zentrales Element innerhalb des Wiesenfelds dokumentiert und vermittelt die Grundrisszeichnung der ehemaligen Laubhütte die herausragende geschichtliche Bedeutung und die mit ihr in Verbindung gebrachten Erinnerungen. In ihrem weiteren Verlauf münden die Rasenstreifen in den nördlich verlaufenden Feldweg, der zu Zeiten der Gartenbauschule zur Bewirtschaftung diente. Er leitet die Besucher zu einem kleinen Platz an der Nordseite des Wirtschaftsgebäudes, der den Auftakt für den Rundweg über das gesamte Areal der ehemaligen Gartenbauschule bildet. In Form einer Silhouette wird hier die Errichtung einer Glasfassade vorgeschlagen, die auf den Standort der damals am Gehilfenhaus gelegenen Gewächshäuser verweist und zugleich als Dokumentations- und Informationsträger dienen kann. In dem Garten der Dokumentations- und Gedenkstätte selbst gibt es weder geleitete Wegeführungen noch einen planmäßigen Rundgang – der Besucher muss den Garten erkunden und sich die in ihm liegenden Bedeutungen durch eigene Annäherungen aneignen. Es entsteht ein gegenwärtiger Erinnerungsort, in dessen Landschaft Bezüge zu den gravierenden Ereignissen hergestellt werden können. Der ehemalige Hort des Lernens wird so als Dokumentations- und Gedenkstätte auf neue Weise bedeutsam.

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