Kaum ein Umfeld ist mit so eindeutigen negativen Assoziationen verbunden wie das einer Zahnarztpraxis. Eine Ästhetik der Hygiene und Sterilität, der klassische „weisse“ Farb-Monolog und nicht zuletzt der unverwechselbare Geruch sind eng verbunden mit dem Gefühl eines körperlichen und seelischen Ausnahmezustands. Vor diesem Hintergrund erfordern Klinikbauten und Zahnarztpraxen im Besonderen ein radikales Umdeuten und Re-Allegorisieren gewohnter Rituale und Erwartungen - weg vom klinischen und hygienischen Ausnahmezustand, hin zu positiv belegten Assoziationen des Wohlfühlens und der Entspannung. Ziel ist das Vergessen der sprichwörtlichen Angst und eine Atmosphäre der Gelassenheit, die man eher von Spas, Cafès, Restaurants oder Hotels erwartet. Hier geht es um Schönheit, Gesundheit und Well-Being. Der Besuch beim Zahnarzt kann Abenteuer mit auch angenehmen Aspekten sein, zumal wenn er weniger dem gefürchteten „Bohren“ dient, sondern weit darüber hinaus ein breites Spektrum von Beratung und Service, Vorsorgeangeboten, Schönheitspflege, Zahnpflege oder Heilpraktiker-Dienstleistungen beinhaltet.
- Konzept -
Das Konzept für die Zahnarzpraxis Dr. Ziegler entwickelt dafür einen radikal neuen Typ. Das Bild einer Dünenlandschaft, in der sich der Strandbesucher einen Platz im Sand sucht, sein Handtuch ausbreitet und einen weiten Ausblick geniesst, ist das Vorbild für einen Raum im dem sich der Boden aufwölbt und die Decke Wellen formt, um Besucher und Ärzte eher einzuhüllen, als einzuschliessen. Dabei sind „Dünenberge“ und Täler so angeordnet, daß Privatsphäre erhalten und Intimität gewahrt und dennoch ein weiter grosszügiger Durchblick durch die gesamte Praxis gewahrt bleibt. Anamorphotisch verzogene Bilder schwebender Menschen in Punktraster heben sich in weiss vom orangen Untergrund ab und sind nur von ausgewählten Standpunkten aus zu erkennen. Im Durchschreiten der Raumfigur ändert sich deren Lesbarkeit kontinierlich. Mobiliar wird unsichtbar und ist fast gänzlich in die Raumfigur integriert.
- Lounge -
Während sich die Behandlungsräume durch zurückhaltende Technikpräsenz und Offenheit zur Dachlandschaft Charlottenburgs auszeichnen, gebührt dem sonst nervenaufreibenden Warten die größte Aufmerksamkeit. In der ungewöhnlich großen Lounge mit vorgelagertem Sonnendeck findet der Besucher (anstelle gewohnter Bestuhlung) in die Wellenformen integrierte Sofas und Liegen, die um einen frei hängenden Kamin gruppiert sind. Die Rückseite des Rezeptionstresens wandelt sich zur Bar. Neben Angeboten wie W-LAN Internet-Zugang oder integrierter Video-Game-„Sandburg“ für Kinder jeden Alters bilden vor allem olfaktorische Reize, wie der Geruch von frisch gemahlenem Kaffee und offenem Kaminfeuer, das phänomenologische Gerüst.
- Spa -
Herz der Badbereiche ist der Zahnpflegeraum als geometrisierte und indirekt beleuchtete Quell-Grotte. Glasbecken schweben über dem zentralen Wasserbassin. Tropfendes Wasser ist der akustische Hintergrund. Über die Reflexion auf der Wasseroberfläche wird die Decke bewegt indirekt beleuchtet. Die eigentlichen WC-Räume treten hinter diesem unisex-Raum als privates Refugium zurück.
- die umfassende Praxis -
Das Konzept einer offenen Raumfigur zwischen Decken- und Bodenskulptur setzt sich in ein Treppen-Auge fort, das das oberste 6. Stockwerk mit den darunter liegenden Praxisbereichen verbindet. Die Treppen-begleitenden Wände werden hier zum Canyon, der sich in die Serie der Behandlungs- und Besprechungsräume des unteren Stockwerks „einschneidet“. Verglaste Zugangstüren erlauben Durchblicke zum Ku’damm und in den Hof und fluten den Raum mit Licht. In diesem konzentrierteren Bereich finden sich Profilaxe, Kiefer-Orthopädie, Röntgenraum, Eingreifraum, Heilpraktiker sowie die Verbindung zum hofseitig gelegenen Dental-Labor. Obwohl als abgetrennter und unabhängiger Bereich geplant, wird dieser dennoch über ein grosszügiges Besprechungsbüro mit dem Praxisbereich verbunden. Eine zusätzliche verborgene Treppenverbindung für Ärzte und Praxishelfer erlaubt diskreten Zugang zwischen beiden Geschossen
- Material -
Mit Ausnahme der in Stahlsonderkonstruktion gefassten Glasabtrennungen zwischen den oberen Behandlungseinheiten, die in den sichtbaren Bereichen rahmenloses Glas erlauben, ist die gesamte Raumfigur als Skulptur in Trockenbau ausgeführt. Die markante orange Farbe der Oberfläche des Bodens, der zu Wand und Welle gefaltet ist, ist aus vier Schichten aufgebaut:
1. farbloser Spritzelastomer
2. farbige Versiegelung
3. anamorphotische Motive als weisses Punktraster
4. transparente Endversiegelung
Einbaumöbel sind fast ausschliesslich in dunkelrotem, normalerweise als Schalungstafeln verwendeten, MDF ausgeführt.
Die Beleuchtung der öffentlich Bereiche ist in die Innen-Architektur integriert, Leuchtkörper in den Behandlungsräumen beinhalten Flatscreens und Technik zur stufenlosen Variation der Lichtfarbe und Helligkeit.
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