Ein Gebäude ist immer nur Teil eines Ganzen: Teil der Landschaft, Teil der Stadt, in der es steht. Und so begreifen wir die Aufgabe, die uns zugefallen ist, nicht als eine, die sich allein auf das Gebäude bezieht, das es zu bauen gilt, sondern als einen Beitrag zur Stadt und der näheren Umgebung, in der es steht.
Ein altes Sprichwort sagt, Kirche, Rathaus und Schule gehören zu den besonderen Bauten, die für die Stadt prägend sind. Ihnen hat man also zugesprochen, sich dem Duktus und der Ordnung der „normalen“ Häuser der Bürgerstadt nicht unterordnen zu müssen. Unsere Vorstellungen von dem Begriff und der Qualität der europäischen Stadt bestätigen das erwähnte Bild. In der Tat erwarten wir von den Bildungseinrichtungen, also den Kulturbauten, ebenso wie denen der politischen und legislativen Gewalt und vorneweg den sakralen Gebäuden, ihr besonderer Status möge im Netz der Wohn- und Geschäftshäuser einen sichtbaren Ausdruck finden.
Ausgangspunkt für die Überlegung, die den Entwurf in erster Linie bestimmen sollten, war die Betrachtung über die Stadt und ihre Häuser. Unschwer ist auch heute noch das rechtwinklige Raster erkennbar, mit dem sich das Hospitalviertel von der schiefwinkeligen Struktur der Altstadt unterschied. Das „Hospital“ selbst, also das ehemalige Dominikanerkloster mitsamt seiner Kirche, sticht dabei nicht nur durch seine Größe aus dem Plan heraus. Es ist, wie in vielen vergleichbaren Situationen die Ostung der Kirche, die den besonderen Straßenraum an dieser Stelle kennzeichnet.
Der Unterschied zu den Plänen, die in der Nachkriegszeit entstanden sind, fällt auf. Die Klarheit der städtebaulichen Idee verschwimmt. Obwohl die Architektur der Fünfziger und Sechziger Jahre weder schlechter noch besser als die von heute ist, war es vor allem die Aufgabe der strikten Baufluchten, die den ursprünglichen Planungsgedanken verwässerten. Dazu kam die Verkürzung der Kirchenwand zum Hospitalplatz zugunsten eines Verwaltungsbaus, der die ursprüngliche Präsenz des Sakralbaus zum öffentlichen Raum hin schmälerte. Ist denn nicht der Raum des Kirchenschiffs in unserem Gedächtnis als ein öffentlicher Raum eingeschrieben, der in einem untrennbaren Dialog zu den umgebenden Plätzen und Strassen steht?
Ausschlaggebend aber war für uns die Zurückführung der Baumassen auf die ehemaligen Fluchten, die das Dominikanerkloster eingenommen hatte, also die Verdrehung der Anlage im Stadtgrundriss. Später kamen wir auf die Idee, den Torso der Kirchenwand auf die ursprüngliche Ausdehnung zu verlängern, um an den ursprünglichen Zusammenhang mit dem Platz davor wenigstens zu erinnern.
Die gewünschten Nutzungseinheiten, wie die Säle und Räume für das Bildungszentrum, sowie die Flächen für die Verwaltung, ordnen sich entlang der neu definierten Fluchten des historischen Planes. Berücksichtigt man die dafür notwendigen Raumtiefen, so bleibt ein genügend großer, sich am Kreuzgang orientierender Innenhof übrig. Dieser lässt sich in zwei Bereiche gliedern: Einmal der Fläche, die dem ehemaligen Kirchenraum entspricht und einmal dem Freiraum, der sich mit dem Foyer des Hospitalhofes ebenerdig verbindet. An den Stellen, wo früher die gotischen Säulen das Gewölbe des Mittelschiffs trugen, haben wir schlanke hochwachsende Bäume gepflanzt. Hier können bei sommerlicher Witterung, so unsere Vorstellung, Feiern und Gottesdienste im Freien stattfinden.
Wolf Irion, der Architekt des Nachkriegsbaus, hatte den Haupteingang zum Bildungszentrum an der Büchsenstrasse vorgesehen. Das ist ein Gedanke, dem wir im Prinzip gefolgt sind. Allerdings haben wir ihn mehr in der Tiefe, an der Schnittstelle zur Kirche hin angeordnet. An dieser Stelle möchten wir ausdrücklich die Arbeit von Irion würdigen, da sein Entwurf ein sehr schöner Beitrag und ein gutes Beispiel der Nachkriegsarchitektur in Stuttgart war. Der Abbruch ist also nicht etwa auf eine Unzufriedenheit mit der Gestalt der Anlage zurückzuführen: Der Grund lag in der maladen Konstruktion und dem Umstand, dass das Gebäude den vielfältigen Anforderungen, wie z.B. dem Brandschutz, nicht mehr genügte. Auf jeden Fall wäre die Ertüchtigung wenn überhaupt, nur durch einen unverhältnismäßig hohen Aufwand möglich gewesen. Allerdings konnten die wesentlichen Teile der Tiefgarage erhalten werden, auch wenn dies mit der eigentlichen Frage nach der Architektur nichts zu tun hat.
Die äußere Erscheinung des Gebäudes ist nun durch das Mauerwerk aus hellen Ziegeln geprägt. Wir glauben damit dem Charakter des innenstädtischen Ensembles, als dem historischen Nukleus des Viertels gerecht zu werden. Gemauerte Fassaden kommen uns auf den ersten Blick vertraut vor. Uns interessiert dabei nicht, ob sich für den Besucher zuerst die Frage stellt, ob das Gebäude neu oder alt aussieht. Wichtiger ist die Selbstverständlichkeit, durch die es auf den ersten Blick als Teil der Stadt wahrgenommen wird. Vertraut und dennoch neu: in dieser Balance sehen wir die Fassaden, so wie diese Eigenschaft auch die Innenräume prägen soll. Deshalb sind Decken, Wände und Böden aus Materialien, die wir nicht nur gewohnt sind, sondern die auch durch ihre Fügung den handwerklichen Charakter ausmachen.
Natürlich spielen die Kosten bei der Wahl der Materialien eine ebenso große Rolle wie deren ästhetische und haptische Wirkung. Für die Außenhaut galt der Grundsatz, dass geschlossene Fassaden aus Mauerwerk oder Beton mit entsprechender Dämmung in mehrerer Hinsicht Vorteile haben: geschlossene Fassaden sind gegenüber solchen aus Metall und Glas nicht nur preiswerter in der Herstellung, sie haben auch langfristige Vorteile. Das betrifft die Dauerhaftigkeit, die Pflege aber auch den geringeren Aufwand für Reparatur.
Zunächst war geplant, Bauabschnitte für die kirchlichen Verwaltungen auf der einen, und für die Räume des „eigentlichen“ Hospitalhofes auf der anderen Seite zu bilden. Dieser Gedanke hatte nur vermeintliche ökonomische Vorteile: das Gegenteil war der Fall. Die Durchführung in einem Zug führte in der Überarbeitung neben den Kostenvorteilen zu einer wesentlichen Verbesserung der Grundrisse, was insbesondere dem Zuschnitt des großen Saales im Obergeschoss zugute kam. Dieser zeichnet sich nun durch ein großes Oberlicht aus, womit der Raum reichlich mit Tageslicht versorgt wird. Auch kommt der nahezu quadratische Grundriss dem Wunsch nach vielfältiger Nutzung entgegen. Der Saal ist sozusagen der Kern der Anlage, um den die anderen Räume sich im Grundriss und Schnitt gruppieren.
Die Mehrzahl der Konferenz-, Gruppen- und Besprechungsräume liegen im Erdgeschoss entlang des L-förmigen Foyers. Hier ist auch der Platz für die Kunstausstellungen, die im Programm des Hospitalhofes bislang ein wichtiger Baustein waren. Der Saal im Obergeschoss hat ein eigenes Foyer, das von außen durch vier Erker, die zum Sitzen einladen, sichtbar ist.
Für die Verwaltung gibt es, auch wie seither, von der Gymnasiumstrasse einen eigenen Zugang. Die Flächen sind im üblichen Büroraster von 1,35 Metern entwickelt und können, je nach Anforderung, als Groß- und Gruppenraum oder als Einzelbüro genutzt werden.
Es bleibt uns zum Schluss deshalb der Dank an die Bauherrschaft, dass ihr genau das gelungen ist, was wir als gemeinsames Handeln bezeichnen. Deshalb ist es kein Wunder, dass der Bau des Hospitalhofs die veranschlagten Kosten und Termine eingehalten hat. Das Urteil über die Schönheit aber, das bleibt jedem Einzelnen überlassen.
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