Gerade mal 5m x 9m verbleiben nach dem Abtragen der Grenzabstände auf einem kleinen steilen Grundstück am Rebberg in Dielsdorf. Bei maximal 83 m2 oberirdischer Wohnfläche galt diese Parzelle lange als nicht bebaubar. Das klassische Wohnhaus mit dicken Aussenwänden, konventionellen Erschliessungstreppen und Verkehrsflächen fand an diesem Ort keinen Platz.
Raum und Struktur sind eins, dies resultiert aus einer interdisziplinären Zusammenarbeit von Architekt und Bauingenieur. Das skulpturale Stahlbetontragwerk in schwarz eingefärbtem Sichtbeton ist allgegenwärtig: Wand, Decke, Boden, selbst das Bücherregal ist Teil des Tragwerks. Unterlagsböden, Tritschalldämmungen, Bodenbeläge, Gipserarbeiten, Malerarbeiten, die die Tragstruktur bedecken könnten kommen nicht vor. Das Wohnhaus ist elementar reduziert auf den nackten Betonrohbau, ergänzt durch diverse Schreinermöbel und umhüllt von einem Glasmantel.
Der Zugang zum Gebäude erfolgt unterirdisch über den Carport. Man betritt das Gebäude über einen bis zu 5.44 m hohen Eingangsbereich. An diesem angehängt sind ein Keller und der Haustechnikraum. Ebenfalls in den Hang eingegraben ist ein Doppelzimmer mit Bad. Diese Räume werden durch teilweise überhohe Raumteile und ein Oberlicht mit Licht versorgt. Dieses Doppelzimmer ist mittels einer Mittelwand gegliedert, welche wie ein Anker das statische Wiederlager der Hauptmittelwand bildet. Die Treppe emporsteigend erreicht man über Terrain das Beton-Bücheregal, welches der Querversteifung des Tragwerks dient.
Von nun an beginnt mittels einzelner Podeste und Stufen eine fortlaufende Abfolge verschiedener Wohnlandschaften: Büro 4.6m2; Essen 10.5m2; Mehrzweckebene 7.9m2; Küche 6.7m2; Reduit 5.2m2; Leseecke und Gästebereich 4.8m2; Wohnen 15.4m2; Bad 7.5m2; Ankleide 3.8m2 und Schlafen mit Badewanne 11.4m2.
Das Werk am Rebhang übernimmt die Logik der Weinrebe: tragende Mittelwand, Podeste und vorgehängte Fenster folgen der Struktur von Stil, Geäst und den daran hängenden Trauben.
Zitat Bauingenieur Urs Oberli:
Mit dem Weinstock als Vorgabe wurde ein ehrliches Betontragwerk entwickelt. Die zentrale vertikale Scheibe als Haupttragelement steift das Gebäude aus und verjüngt sich mit zunehmender Gebäudehöhe, den Beanspruchungen entsprechend, in der Stärke. Die Versätze der Geschossdecken bilden Rippen, lassen das Gebäude in der Tiefe wachsen und bilden die Lagerung der blattartigen Decken. Das von innen nach aussen hin entwickelte Tragsystem verzichtet gänzlich auf statische Elemente in der Fassade.
Zitat Landschaftsarchitekt Nils Lüpke:
Der an das Grundstück anschliessende Landschaftsraum mit Wiesen, Hecken und Obstbäumen wird bildhaft in die Gestaltung miteinbezogen und nahtlos in den Garten geführt. Mächtige Kirschbäume reichen ihr Astwerk bis nahe an das Haus und wirken bis in den Wohnraum.
Hauszugang und Aussensitzplatz formulieren sich als präzise Einschnitte im gewachsenen Terrain. Trittsteine, aus dem Restbeton des Hauses gefertigt, scheinen über diesem zu schweben und verstärken das Bild einer ansonsten belassenen Topografie.
Zitat Lichtplaner Thomas Schoch:
Die vorherrschende Struktur des Tragwerks wird durch vertikale, in der Gebäudehülle eingearbeitete LED-Lichtlinien angestrahlt. Bewegt man sich in dem archaischen Rohbau von Raum zu Raum, wirkt das Architekturlicht wie ein neuzeitlicher Fackelrundgang.
Die in den Fensterrahmen sitzenden Lichtlinien werfen das diffuse Grundlicht in den inneren Kern.
Zitat Bauphysiker Stephan Huber:
„Die architektonische Reduktion auf das Maximum forderte die Bauphysik heraus. Trotz tiefen U-Werten (Ug = 0.60 W/m2K, opake Bauteile zwischen 0.14 W/m2K und 0.20 W/m2K) war der energetische Nachweis nur mittels Einzelbauteilnachweis möglich. Dadurch durfte bezüglich sommerlichen Wärmeschutz der Gesamtenergiedurchlassgrad der Verglasung nicht tiefer als 30% sein, was bei einem Fensterflächenanteil bezogen auf die Energiebezugsfläche mit rund 140% eine weitere Herausforderung darstellte.“
Architekt: L3P Architekten ETH FH SIA AG
Bauherr: Privater Eigentümer
Bauingenieur: Bona + Fischer Ingenieurbüro AG; Projektverantwortlich Urs Oberli
Landschaftsarchitekt: vetschpartner Landschaftsarchitekten AG; Projektverantwortlich Nils Lüpke
Lichtplaner: Lichtblick; Projektverantwortlich Thomas Schoch, Ulli Dittrich
Bauphysiker: Wichser Akustik & Bauphysik AG; Projektverantwortlich Stephan Huber
Fotograf: Vito Stallone, Dottikon
Projekt und Realisierung: 2006 - 2014
Grundstückgrösse: 291m2
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