Baugeschichte des Stiftes
Das Kloster wurde 1076 vom Kärtner Markgrafen Markwart von Eppenstein gegründet.
Die erste Kirche im 11. Jahrhundert war die „Kirche des Heiligen Lambert im Walde“, in deren unmittelbarer Nähe vor 1076 das Kloster errichtet worden war. Im 12. Jahrhundert wurde sie durch eine romanischen Basilika ersetzt, die 1160 geweiht wurde. Sie hatte schon beinahe die Größe der heutigen Stiftskirche. Nach dem Brand der romanischen Kirche im Jahr 1262 und dem Einsturz einiger danach wiederhergestellter Bauteile
bis 1327 ging man daran, auf den noch vorhandenen Steinmauern ein neues Gotteshaus zu erbauen.
Die Weihe der gotischen Hallenkirche erfolgte 1421. Von 1639 an erfolgte der frühbarocke Neubau unter der Leitung von Stiftsbaumeister Domenico Sciassia (1599/1603–1679), der auch der Baumeister von Mariazell war. Erst 1692, nach Sciassias Tod, wurde der Bau vollendet. Von 1730 bis 1750 wurde das Stift durch den Südtrakt gegen den Markt hin erweitert (gekürzter Text von Benedikt Plank).
Die kurz beschriebene Baugeschichte des Stiftes zeigt das für Mitteleuropa typische "Weiterbauen", das sich in einem ständigen durch soziokulturelle und ökonomische Einflüsse immer wieder mehr oder weniger reflektierten Baugeschehen äussert. Es zeigt sich aber auch, dass die von Scassia in unglaublich radikaler Weise konzipierte, mediterran beeinflußte Typologie, die Lage und klimatischen Bedingungen des Standortes vernachlässigend der Natur großartige Architektur entgegensetzt, nicht jeden baulichen Eingriff schadlos überstehen würde.
Unser Einsatz als Planer für das Stift geht auf das Jahr 2004 und ein EU-gefördertes Projekt eines Veranstaltungszentrums - der "Schule des Daseins" - zurück. Wir begannen mit Strukturanalysen auf Basis einer bereits vorhandenen Studie, die kluge Köpfe im Stift beauftragt hatten. Seither versuchen wir uns auf Grundlage dieses "Masterplanes" in vielen eigentlich kleinen Eingriffen an den Aufgabenbereich konzeptuell und emphatisch
anzunähern. Für jeden Eingriff, den wir vornehmen, brechen wir zumindest ein Anderes ab, das aus den letzten Jahrzehnten stammt und nicht mehr passend oder funktional überholt scheint. Unseren Architekturen und Möbelierungen wird es letztlich nicht anders ergehen. Auch wenn wir möglichst versucht sind, uns in einem verständlichen und angemessenen Kontext zur Grundaussage der barocken Anlage zu bewegen,
ist mir klar, dass wir nur eine Fußnote in der Baugeschichte des Stiftes schreiben werden.
Umbau Klausur und Zellen der Patres
Kloster kommt vom lateinischen "claustrum" - abgeschlossen - und bezeichnet einen Ort, der sich dem Treiben der Welt nur mit Einschränkungen öffnen kann. Die Klausur von "clausura" - Verschluß - wiederum kennzeichnet den abgegrenzten, den Ordensangehörigen vorbehaltenen Bereich im Kloster. Außenstehende dürfen
ihn nur unter bestimmten Voraussetzungen zeitweilig betreten - etwa, wenn es sich um Ordensanwärter, Ärzte oder Handwerker handelt. Dieser Teil des Klosters dient als Ort des Rückzugs und der Besinnung für die Ordensmitglieder.
Die Wohnbereiche der Patres in der Klausur des Stiftes St. Lambrecht waren Zimmer oder Zellen mit einer Grundfläche von ungefähr 22 bis 29 Quadratmetern und einer Raumhöhe von 5,7 Metern. Die Zimmer wurden zum Schlafen, als Rückzugsort und auch zum Studieren und Arbeiten verwendet. Sie waren schon vor dem Umbau mit einer Zentralheizung und mit Waschbecken ausgestattet, die sanitären Anlagen beschränkten
sich aber auf abgenutzte WC´s und ein eher vorsindflutliches Gemeinschaftsbad, erreichbar über den unbeheizten Gang.
Da die Patres sich heute auf Grund ihrer geringen Zahl mit einer ständig steigenden Anzahl von Aufgaben konfrontiert sehen und der Materialismus der Welt auch an den Pforten der Klostermauern nicht spurlos vorbei geht, fehlten den bestehenden Zellen nicht nur die hygienischen Mindeststandards sondern auch Stauraum, Arbeits- und Rückzugsbereiche und insgesamt eine dem Wesen des Klosterlebens förderliche Atmosphäre. Zugleich musste die vorhandene Substanz durch umsichtige Eingriffe infrastrukturell und bauphysikalisch für die nächsten Jahrzehnte ausgerüstet werden - alles natürlich unter den strengen Bestimmungen und Auflagen des Denkmalschutzes.
Im Obergeschoß des Stiftes anschließend an Bibliothek und Pfarrkirche konnten im Bauabschnitt 4 12 Zimmer mit Größen zwischen 30 und 55 Quadratmetern umgebaut bzw. hergestellt werden. Eine Liftanlage - versteckt in den historischen Sanitäranlagen - stellt einen barrierefreien Zugang her und erschließt auch Erd- und Untergeschoß.
Wärmetechnisch konnte durch das Dämmen der obersten Geschoßdecke - über den Zellen befindet sich der Dachraum - mit Glasschaumgranulat eine Maßnahme gesetzt werden, die auf Grund des geringen Gewichtes des Glasschaumes die Stuckdecken und Gewölbe nicht belastet. Durch das vollkommen mineralische und diffusionsoffe Material sind auch keine negativen Einflüsse auf den Bestand zu erwarten. Die einfach verglasten Fenster wurden durch zusammen mit Bauphysiker und Denkmalamt entwickelte Zusatzflügel ergänzt, neue Eingangstüren in die bestehenden Steinrahmen eingebaut. Es konnten auch neue Bodenaufbauten mit Heizestrichen und Dämmschichten hergestellt werden, da in diesen Bereichen keine historisch wertvollen Böden vorhanden waren. Sämtliche Leitungsführungen erfolgen vertikal in den vorhandenen Kaminen und horizontal in den Bodenaufbauten.
Um die Nutzflächen zu vergrößern wurden Galerien aus Brettsperrholzplatten eingezogen. Meist befinden sich dort die Arbeitsplätze, in zwei Fällen auch der Schlafplatz und die Sanitärzelle. Von den Galerien hat man einen wundervollen Blick in die Quadratur (Innenhof) und den Stiftsgarten. Konzeptuell werden alle Einbauten wie Möbel behandelt. Auch die Bäder sind aus Platzgründen mit dünnen 4 Zentimeter starken Kompaktwänden
hergestellt. Für die Oberflächen ist eine über alle Bauabschnitte durchgehende "Materialordnung" vorgesehen bzw. hat sich diese auch über die Jahre aus dem Tun heraus entwickelt. Auch die Bauteile versuchen wir nach ähnlichen Gesichtspunkten in einem Gesamtzusammenhang zu entwerfen.
Peter Reitmayr
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