Ein Wald als Luftkraftwerk: Frischekick für urbanes Mikroklima
Die Natur ist beim österreichischen EXPO-Beitrag nicht bloß grüner Anstrich, sondern essenzieller Kern: Ganz ohne technische Klimaanlage wird die gefühlte Temperatur im Österreich-Pavillon um rund 5 ºC niedriger sein als in der Umgebung. Architekt Prof. Klaus K. Loenhart erläutert dazu: „Unser Pavillon ist ein Prototyp für eine künftige Stadtplanung, die sich die Performanz der Natur zu Nutze macht. Anders als herkömmliche Klimaanlagen und in Synergie von Natur und Technologie erzeugt der Pavillon Kühle ohne externen Strom und ohne Abwärme. Unsere Vision ist: Wir werden künftig die Prinzipien der Bio-Performanz in unseren Städten integrieren. Mit 10 % mehr Bio-Performanz können wir einen Temperaturanstieg von 2 ºC in Folge des Klimawandels ausgleichen!“
Bio-Performanz: Natürliche Klimaanlage produziert O2 und speichert CO2
Gebäude sind heute die größten Verursacher von Energieverbrauch und CO2-Ausstoß. Der Österreich-Pavillon zeigt demgegenüber als Second Nature Visionen für klimafreundliche Gebäude auf, die auf die Leistungsfähigkeit der Natur zurückgreifen. Der Wald des österreichischen EXPO-Beitrags arbeitet wie ein Luftkraftwerk: Er produziert in einer Stunde so viel Sauerstoff, wie etwa 1.800 BesucherInnen benötigen. Die Evapotranspiration des zur Verdunstung angeregten Waldstücks lässt die BesucherInnen die Umgebung um rund 5 ºC kühler erleben. Die Pflanzen verfügen gemeinsam über eine Blattoberfläche von 43.200 m2 und produzieren damit in einer Stunde 62,5 kg Sauerstoff. Zugleich absorbiert der Wald pro Tag 92 kg CO2 und greift auch bei der Energiegewinnung auf die Intelligenz der Natur zurück: Zur Stromerzeugung wird eine Farbstoffsolarzelle genutzt, eine sogenannte Grätzel-Zelle. Nach dem Prinzip der Photosynthese wird dabei aus Licht Energie erzeugt. Was in jedem Blatt im Pavillon-Wald im kleinen Maßstab erfolgt, setzt sich hier im großen Maßstab fort. Die Grätzel-Zelle kann dabei auch schwaches sowie Kunstlicht nutzen und wirkt untertags zudem beschattend.
Ein Wald als EXPO-Skyline
Der Wald im österreichischen EXPO-Pavillon wird sich über die komplette Innenfläche von 560 m2 ausbreiten. Insgesamt 60 Bäume, die bis zu 12 Meter hoch sind, werden gepflanzt. Fichten, Tannen, Lärchen, Buchen, Birken, Eichen und viele Arten mehr finden in diesem verdichteten Waldkosmos zueinander. Die Wipfel der höchsten Bäume werden die meisten anderen Pavillons überragen und die Skyline der EXPO weithin sichtbar prägen — gerade nachts, wenn sie sich mit einer stimmungsvollen Beleuchtung in Szene setzen. Die Bäume bekommen im kommenden Jahr viele grüne Begleiter: Stauden und Sträucher werden ebenso wie Moose und Flechten in verschiedenen Pflanzgruppen die Vielfalt an Waldökotypen verdeutlichen.
Grüne Infrastruktur verbessert thermischen Komfort
DI Bernhard Scharf vom Institut für Ingenieurbiologie und Landschaftsbau an der Universität für Bodenkultur Wien entwickelte für den Pavillon das Konzept der Vegetationstechnik. Er ist überzeugt: „Mit intensiver Bio-Performanz können wir die Auswirkungen des Klimawandels bis zur Jahrhundertwende kompensieren. Auch die Europäische Kommission hat den Wert des Naturkapitals erkannt und eine Strategie für grüne Infrastruktur entwickelt. Wir zeigen mit unserem Pavillon-Konzept vor diesem Hintergrund, welche Synergien durch die Kombination von Natur und technischen Mitteln mit heutigem Wissen möglich sind.“ Gerade in dicht verbauten Städten mit vielen versiegelten Flächen entstehen im Sommer Urban Heat Islands. Etliche Untersuchungen belegen, dass Pflanzen die gefühlte Temperatur bzw. die physiologische Äquivalenttemperatur (PET) positiv beeinflussen. Sie verringern die Lufttemperatur, noch viel mehr reduzieren sie aber die Wärmeabstrahlung und erhöhen die Luftfeuchtigkeit. Insgesamt verbessert sich der thermische Komfort deutlich. Im Wald des Österreich-Pavillons wird dieser Effekt konkret erlebbar.
In der Natur benötigt ein Wald-Ökosystem viele tausend Jahre, um sich bis zur Klimax zu entwickeln. Der Wald im Österreich-Pavillon entsteht mit dem Know-how der Spezialisten von der Universität für Bodenkultur in Wien und der Technischen Universität Graz dagegen innerhalb weniger Monate. Am EXPO-Ausstellungsgelände in Mailand wurde zunächst der Untergrund angelegt und die Wasserflächen wurden vorbereitet. Auf diese präparierte Landschaft werden nun die Bäume gepflanzt — manche davon sind 30 und mehr Jahre alt. Das Setzen der Bäume gibt auch den Takt für die Errichtung der äußeren Gebäudehülle vor, sie wächst nun sukzessive mit dem Entstehen des Waldes. Zum Start der EXPO im Mai 2015 wird sich der zügig angelegte Wald dann gleichermaßen frisch wie luftig präsentieren und die Performanz der Natur unmittelbar erlebbar machen.
Lage und Größe
• Parzelle neben den Pavillons von Deutschland, Schweiz, Italien und Slowenien
• Grundstücksfläche: 2.000 m²
• Waldfläche im Innenbereich des Pavillons: 560 m²
Idee/Konzeption/Umsetzungsteam
TEAM.BREATHE.AUSTRIA
terrain: architekten und landschaftsarchitekten BDA – Klaus K. Loenhart
mit
Agency in Biosphere - Markus Jeschaunig
Hohensinn Architektur ZT GmbH - Karlheinz Boiger
Lendlabor, Graz - Anna Resch und Lisa Maria Enzenhofer
LANDLAB i_a&l, TU Graz - Andreas Goritschnig und Bernhard König
Alexander Kellas
Engelsmann Peters Ingenieure, Stefan Peters
Transsolar - Wolfgang Kessling
BOKU Wien IBLB - Bernhard Scharf
Generalplanung und Leitung Konzeption: Klaus K. Loenhart
Projektleitung: Bernhard König
Projektleitung Landschaft: Lisa Maria Enzenhofer
Ausführungsplanung Hochbau: Karlheinz Boiger
Projektleitung Einrichtung: Anna Resch
Konzeption Ausstellung: Andreas Goritschnig, Markus Jeschaunig
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