Der Westerberg ist die bevorzugte Wohngegend in Osnabrück. Von dem hohen Lebensstandard profitieren auch die Hochschule und die Universität. Sie besiedeln attraktive Areale am Westerberg und erhalten zudem seit dem Abzug der britischen Streitkräfte aus Osnabrück freigezogene Immobilien und Flächen der ehemaligen Von-Stein-Kaserne. Hier wächst zwischen der Barbara- und der Artilleriestraße ein neuer Campus mit seinen essentiellen Funktionen heran. Im ersten Schritt ist eine neue Mensa entstanden, die von den zahlreichen Studenten der Hochschule und der Universität gleichermaßen genutzt wird. Modern, transparent und doch mit festem Standortbezug findet sie wie selbstverständlich
ihren architektonischen und funktionalen Platz zwischen den historischen Gebäuden am Westerberg.
Lange Zeit war die Essensversorgung der Studierenden und Lehrenden am Campus Westerberg nicht optimal gelöst. Die Kapazität des bestehenden Versorgungszentrums
AVZ aus dem Jahre 1975 wurde durch die stetig zunehmende Anzahl von Essens-teilnehmern ausgeschöpft und überschritten. Für den Neubau der Mensa wurde im Frühjahr 2007 ein begrenzt offener Architektenwettbewerb zwischen 24 Architekturbüros ausgelobt. Der Entwurf der pbr AG gewann in diesem Wettbewerb den ersten Preis.
Um das städtebauliche Konzept und die Gestaltung des neuen Campus Westerberg zu entwerfen, wurde in Zusammenarbeit mit der Stadt Osnabrück ein Workshop durchgeführt. Hierbei entwickelte die Arbeitsgemeinschaft der Berliner Landschaftsarchitekten Lützow 7 und der pbr AG einen Masterplan, in dem der neue Campus das städtebauliche Bindeglied zwischen dem historisch geprägten Standort und den neu zu errichtenden Hochschulgebäuden bildet. Die Mensa ist der erste Baustein des zukünftigen Campus. Ein Hörsaal- und Seminar-Zentrum sowie eine Bibliothek folgen. Diese Gebäude werden dem Campus und der Hochschule eine neue zukunftsweisende Identität geben.
Mäandernde Formen
Die Gebäude der Ende des 19. Jahrhunderts entstandenen Von-Stein-Kaserne sind in den letzten Jahren sensibel wiederhergestellt worden. Aufgrund seiner guten Gebäudesubstanz heben sich diese Teile des Hochschulstandorts qualitativ stark von anderen, heterogener bebauten Flächen ab. Folglich stellte auch die städtebauliche Ausgangssituation außerordentlich hohe Anforderungen an die Architektur des Neubaus. Die neue zweigeschossige Mensa hat die Großform eines einfachen Rechtecks, dessen Baukörper als horizontal gefaltetes Mäanderband ausgebildet wird. An den rhythmischen Höhenunterschieden des Mäanders lassen sich die jeweiligen Raumanforderungen der Mensa ablesen. Nach Osten, zum Campusboulevard betont die Gebäudeform mit einem Einschnitt die Eingangssituation. Zusätzlich akzentuieren großzügige Verglasungen die öffentlichen Bereiche Foyer, Cafeteria und die Speisesäle. Das auskragende Dach verschattet auf natürliche Weise die Glasflächen und betont gleichzeitig das Gestaltungsmotiv des Mäanders.
Die Fassade ist durch transparente Glaselemente und geschlossene Flächen aus hellem Verblendmauerwerk geprägt. In städtebaulicher Ordnung, Maßstäblichkeit, Materialität und Farbigkeit bildet die Mensa ein homogenes Erscheinungsbild zu ihrem Umfeld. So nimmt der Neubau Wegbeziehungen und Gebäudekanten der südlich angrenzenden Institutsgebäude auf und führt diese weiter. Da die Mensa von der Barbarastraße zurückgesetzt ist, wird so der Campus räumlich definiert. Die Gestaltung des Campus nimmt Bezug zur
Symmetrie der Mensa und lädt durch spielerische Sitzelemente zum Verweilen ein – es entsteht ein attraktiver studentischer Boulevard.
Gestapelte und gereihte Funktionen
Das Baugrundstück liegt an einem Berg und weist in Nord-Süd-Richtung einen geschosshohen Geländesprung auf. Der Entwurf der pbr AG nutzt diese Situation, indem hier innen liegende Lager- und Technikräume angeordnet werden. Die Zufahrt zum Betriebshof wurde erdgeschossig nach Westen orientiert, der natürliche Geländesprung und eine räumliche Einfassung schirmen die Situation auf einfache Weise ab. Über den Betriebshof erfolgt unkompliziert und auf direktem Wege die Anlieferung der Mensa. In diesem Teil des Erdgeschosses befinden sich abgewandt vom Publikumsverkehr Räume der Ver- und Entsorgung, Lager, Kühlräume und der Sozialbereich des Personals.
Die Haupterschließung der Mensa erfolgt über den Campusboulevard von Osten. Die beiden Speisesäle und ein separater Gästeraum mit insgesamt 1.000 Sitzplätzen sind im Obergeschoss situiert. Eine breite Treppe führt den Gast aus der Eingangshalle zur Speisenausgabe die als Free-Flow-Anlage realisiert wurde. Täglich werden hier bis zu 5.000 Essen ausgegeben. Wartezeiten werden durch die großzügige Anlage und das offene Free-Flow-Prinzip verringert. Mit der erhöhten Lage der Speisesäle im Obergeschoss bieten sich den Besuchern vielfältige Ausblicke. Durch die bodentiefen Glasfassaden und zusätzliche
Glasoberlichter im Dach wird der qualitativ hochwertige Tageslichtanteil in den öffentlichen Nutzungsbereichen optimiert. Natürliche Materialien wie das Eichenparkett in den Speisesälen prägen die homogene Raumgestaltung und sind zudem langlebig, nachhaltig und kosteneffizient. Die Café Lounge mit 196 Sitzplätzen und der Veranstaltungsraum für weitere 60 Personen sind nach Osten und somit direkt zum Campusboulevard ausgerichtet. Sie wird über eine eigene Küche versorgt und kann somit zeitlich unabhängig von der Mensa betrieben werden. Auf der vorgelagerten Terrasse wird mit Holzdecks ein aufgelockerter
Sitzbereich ausgebildet. Im Sommer können die Nutzer zusätzlich auf dem Balkon über dem Haupteingang oder auf dem nach Süden orientierten Freibereich essen. Im rückwärtigen
Teil des Obergeschosses befinden sich die Produktionsküche und die Räume der Speisenvorbereitung. Über Verglasungen werden auch hier Blickbeziehungen nach außen und der Tageslichteinfall ermöglicht.
Der Mensabetrieb unterliegt starken Besucherschwankungen: Während des Lehrbetriebs im Semester ist die Auslastung hoch. In der vorlesungsfreien Zeit sinken die Essenszahlen und die Mensa läuft im Schwachlastbetrieb. Darauf reagiert der Mensaneubau, indem die beiden symmetrisch angeordneten Speisesäle separat betrieben werden können. Hierzu sind sie beispielsweise mit gesonderten Geschirrrückgaben und Spülküchen ausgestattet. Der Publikumsverkehr ist in einer kreuzungsfreien Abfolge geplant. Über die Haupttreppe gelangen die Besucher in die Free-Flow-Ausgabe. Dort wählen sie ihr Essen, bezahlen es an der Kasse und nehmen es in einem der beiden Speisesäle zu sich. Auf dem Weg zum Ausgang geben sie ihr Geschirr an der Rückgabe ab und verlassen den Speisesaal dann über eine hier angeordnete Wendeltreppe direkt zum Foyer. Der Ein- und Ausgangsverkehr ist durch die zwei räumlich getrennten Treppen störungsfrei organisiert. Die neue Mensa ist auf die Bedürfnisse von Behinderten sowie auf Studierende mit Kindern eingerichtet. Im Erdgeschoss ist z. B. der Eltern-Kind-Bereich angeordnet, in dem Eltern ihre Kinder in der Stillecke versorgen und in einem separaten Raum wickeln können. Weiterhin wird das Angebot für die Kinder durch einen eigenen Spielbereich ergänzt.
Ergonomie und Energieoptimierung
Auch die Küchen- und Gebäudetechnik ist auf die Bedürfnisse der Nutzer abgestimmt.
So sind die Küche und die Vorbereitungsbereiche wie Dessertposten, kalte Küche, Gemüse- und Fleischvorbereitung direkt einander zugeordnet. Durch die kurzen Wege wird der Produktionsprozess optimiert. Glaselemente zwischen den Bereichen ermöglichen zudem direkte Blickbeziehungen und fördern so die Kommunikation. Jede dieser Einheiten bildet einen eigenen Arbeitsbereich, dessen technische Ausstattung zeitgemäß auf einen geringen
Energieverbrauch ausgerichtet ist. Beispielsweise laufen die beiden Spülstraßen
während der Schwachlastzeiten im wasserschonenden Reduktionsbetrieb. Darüber hinaus sind sie mit einem System zur Wärmerückgewinnung ausgestattet. Zusätzlich verfügt die komplexe Kücheneinrichtung über eine Datenschnittstelle, über die technische Daten für das Prozessmanagement ausgelesen werden. Die Speisereste werden im Küchen- und Spülbereich in Aufgabestellen entsorgt und über ein geschlossenes Leitungssystem zu der zentralen Nassmüllentsorgungsanlage im Erdgeschoss transportiert. Die so gewonnenen
Abfälle können später einer Biogasanlage zugeführt werden. Bei der Planung der Küchentechnik wurde auf Ergonomie geachtet. Die Hauptausgaben sind z. B. mit sogenannten Bain-Marie-Behältern ausgestattet. Diese mit Nahrungsmitteln befüllten Behälter werden nicht in die Theken gehoben, sondern rückenschonend eingeschoben. Ebenso wurde die flache Gefälleausbildung des Küchenfußbodens und der Edelstahl-Rinnen auf einen hohen Stehkomfort abgestimmt. Die Tablett- und Tellerspender sind ergonomisch auf die Abstapelung der vollautomatischen Geschirrspülmaschine abgestimmt. Das neue Mensa-Gebäude ist die zentrale Verpflegungseinrichtung auf dem Campus am Westerberg, das sowohl von Universität und Hochschule genutzt wird. Die Mensa bildet nicht nur den ersten Stein im städtebaulichen Masterplan, sondern zeichnet auch die ersten Züge eines profilreichen Hochschulstandortes, der Tradition und Moderne auf vorbildliche Weise verbinden wird.
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