Merck Serono S.A. Large Scale Biotech, Vevey/Schweiz
Wertschöpfung durch Industriearchitektur
Stuttgart/Vevey/Schweiz. Wo lange Jahre Handwerksbetriebe und eine Tabakfabrik das idyllische Landschaftsbild prägten, ist heute mit der Merck Serono S.A. (Merck Serono) ein Zentrum der Forschung, Entwicklung und Produktion von biotechnologischen Substanzen angesiedelt. Mit der Übernahme des Biotechnologie-Unternehmens Serono S.A. durch die Merck KGaA wuchsen nicht nur zwei pharmazeutische Traditionsfirmen zusammen, sondern der Wandel verlangte eine ganzheitliche Neugestaltung der gemeinsamen Firmenarchitektur.
Ende 2006 wurde die HWP Planungsgesellschaft mbH (HWP) mit dem Masterplan, der Objektplanung der Gebäude, der Ausschreibungskoordination und der Objektüberwachung für den Produktionsstandort in Vevey in der Schweiz beauftragt. Der damalige Status quo: Die Serono S.A. produzierte bereits seit 1999 im umfunktionierten Produktionsgebäude der ehemaligen Tabakfabrik. In der direkten Umgebung hatten sich im Laufe der Jahre aus der Umnutzung abgelebte Industriegebäude und Holzbaracken ergeben. Diese Industrierelikte mussten bei parallel weiterlaufender Produktion vor der ersten Baumaßnahme im Jahr 2007 zunächst komplett entfernt werden.
Das architektonische Konzept
Zur gleichen Zeit begann HWP mit der Erweiterung des Merck Serono Biotech Center (MSBC): Dieses Herzstück der Wirkstoffherstellung wurde um zwei weitere Produktionslinien ergänzt. Dafür plante HWP Reinräume, Büros, Technik- und Funktionsräume bei laufendem Betrieb. Im Gegensatz zur Umgestaltung der Raumfunktionalität und der dazu gehörenden Innenarchitektur wurde die Außenhülle nur durch einzelne Elemente wie z. B. durch ein verglastes Treppenhaus und durch Fensterbänder für die neuen Büros ergänzt.
Das Logistik Service Center (LSC) wurde als Neubau mit einem zur Straße ausgestreckten Hochregallager, dem so genannten Warehouse, konzipiert. Architektonisch von besonderem Wert ist die Fassadengestaltung des Hochregallagers. Die Idee – ein geplantes Lichtkonzept kombiniert mit innovativer Architektur verleiht dem industriellen Gebäudekomplex einen einzigartigen Charakter und steigert den Identifikationsgrad der Bevölkerung mit dem sonst funktionalen Gebäudekomplex. Dazu wurde vor der eigentlichen Paneelfassade ein silbriges Kunststoffgewebe gespannt. Ein sorgfältig ausgearbeitetes Gesamtlichtkonzept setzt bei Nacht die Außenkanten des Gebäudes in Szene. Der Materialmix aus Glas, Sichtbeton und dunklen Faserzementplatten unterstreicht den modernen Charakter des Gebäudes.
Der Verbindungstunnel zwischen MSBC und dem LSC wurde als Hängebrückenkonstruktion neu gestaltet. Zwei abgehängte Fischbauchträger tragen diese Verbindungsbrücke, die zwei Funktionen in sich vereint: Die im LSC ankommenden Grundsubstanzen für die Wirkstoffproduktion werden über den Verbindungstunnel in das MSBC befördert. Anschließend gelangen die fertig produzierten Wirkstoffe wieder über denselben Verbindungstunnel zurück ins LSC und können gelagert oder versendet werden. Damit fungiert der Tunnel als doppeltes Bindeglied für den Warenfluss.
Das separat angeordnete Gatehouse ist die Hauptpforte, über die das gesamte Industriegelände erschlossen wird. Oberste Prämisse für Merck Serono ist die Gewährleistung der Sicherheit bei der Produktion der sensiblen medizinischen Wirkstoffe. Mit einem Schulungsraum und einem Raum für Krisensitzungen werden die Funktionalitäten des Gatehouse ergänzt. Für die architektonische Umsetzung wählten die Architekten der HWP Planungsgesellschaft mbH einen lang gezogenen, vollverglasten Baukörper von etwa 30 Metern Länge. Als weitere industriell anmutende Materialien wurden Edelstahl und Beton gewählt. Neben der hochwertigen Materialität besticht das Gatehouse durch seine Formensprache: Eine um 5 Grad geneigte Betonscheibe dient als Gebäudeabschluss auf einer Seite des Baukörpers. Das weit auskragende Dach mit Edelstahlverkleidung soll einen Kontrapunkt zur vergleichsweise fragil wirkenden Glasfassade bilden. Als besonderes Identifikationsmerkmal des Gatehouse wurde ein honiggelbes Architekturelement angebracht, das aufgrund seiner Charakteristik bereits im Schaffensprozess unter dem Label „Eistüte“ geführt wird.
Die Intention bei der Planung des Waste Water Treatment Plant und des Generators war die bestmögliche Integration in die Landschaft. Dazu wurden Materialien und Farben gewählt, die der Umgebung ähneln wie z. B. Holzelemente in Naturbraun, Bepflanzungen in sattem Grün und Flächen in Steingrau. Abgetreppte Stockwerke und Dachbegrünungen unterstützen die an die Natur angelehnte Gestaltung.
Planerische Leitlinien
Der durch HWP erweiterte Industriekomplex greift unwillkürlich in die schweizerische Landschaft ein. Die Materialitäten, die Anordnung und das innovative Lichtkonzept der Neubauten und die Sanierung des Bestandes schaffen einen neuen Wert. Eine besondere Herausforderung bei der Entwicklung des Architekturkonzeptes bestand im stark abfallenden Gelände. Dazu wurden große Höhenunterschiede durch architektonische Lösungen überwunden.
Neben den landschaftlichen Gegebenheiten wurden das Raumprogramm und die Funktionsvorgaben der Merck Serono S.A. bei der Umsetzung berücksichtigt. „Uns war eine konsultative, integrative Zusammenarbeit mit unserem Kunden Merck Serono wichtig, um die Bedürfnisse bestmöglich zu berücksichtigen,“ so Peter Wissler, Projektleiter bei der HWP Planungsgesellschaft mbH.
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