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Lehrkrankenhaus Okmeydani, Istanbul, Türkei

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Planen für den Ernstfall Erdbebensichere Krankenhäuser in der Türkei Istanbul liegt in der Kollisionszone zweier tektonischer Erdplatten. Eine der größten Herausforderungen für die Region besteht somit darin, die Bevölkerung der Stadt vor den Auswirkungen eines potenziellen Erdbebens zu schützen und gleichzeitig eine funktionsfähige Gesundheitsinfrastruktur für den Ernstfall bereitzustellen. Um diese Aufgabe zu meistern, verabschiedeten die türkische Regierung und die International Bank of Reconstruction and Development (IBRD) mit dem sogenannten Istanbul Seismic Risk Mitigation and Emergency Preparedness Project (ISMEP) ein Programm, um die Stadt und ihre Gesundheitsinfrastruktur möglichst optimal auf eine Erdbebensituation vorzubereiten. Ziele des ISMEP sind der generelle Ausbau von erdbebensicheren Einrichtungen und die Aufstockung der technischen Kapazität für das Katastrophen- und Notfallmanagement. Ein besonderer Fokus des Programms richtet sich auch auf die Verbesserung des Erdbebenschutzes speziell von öffentlichen Einrichtungen. Außerdem sollen Bebauungspläne für die weitere Stadtentwicklung unter dem Gesichtspunkt einer möglichst hohen Erdbebensicherheit überarbeitet werden. Um die angestrebten Ziele des ISMEP sowie die im Rahmen dieses Programms geplanten Krankenhäuser zu verwirklichen, spielen erdbebensicheres Planen und Bauen die entscheidende Rolle. Denn gerade erdbebensichere Krankenhäuser haben eine wichtige Doppelfunktion: Sie garantieren dank ihrer Bauweise nicht nur den stationär zu behandelnden Patienten und dem Krankenhauspersonal im Erdbebenfall Sicherheit, sondern sie gewährleisten durch einen kontinuierlichen Krankenhausbetrieb die Notfallversorgung im Krisenfall. Zwei Pilotprojekte in Istanbul Die beiden Lehrkrankenhäuser Okmeydani und Göztepe nehmen als Pilotprojekte erdbebensicherer Krankenhausplanung unter dem Schirm der Istanbuler Einheit für Projektkoordination (Istanbul Project Coordination Unit, IPCU) eine Schlüsselrolle innerhalb des ISMEP-Programms ein: Schrittweise werden die beiden Krankenhäuser bei laufendem Betrieb als erdbebensichere Krankenhäuser neu errichtet. Beide wurden von der in Stuttgart ansässigen HWP Planungsgesellschaft mbH (HWP), einem internationalen Architektur-, Planungs- und Beratungsunternehmen, geplant. Die umfangreichen Leistungen setzte HWP in enger Kooperation mit ihrer türkischen Tochtergesellschaft HWP Istanbul um. „Wir sind stolz, zusammen mit unserer Tochtergesellschaft HWP Istanbul technisch anspruchvolle Ingenieursleistungen im Rahmen unserer türkischen Krankenhausprojekte geplant zu haben. Unsere Partner in der Türkei haben dabei einen sehr produktiven Beitrag geleistet“, sagt Frank Wachholz, Geschäftsführer und Geschäftsbereichsleiter Architektur und Technik der HWP. Zufrieden zeigt sich auch der Geschäftsführer der HWP Istanbul und Senior Leading Architekt der HWP, Türker Köksal: „Wir hoffen für die Zukunft der Region, dass die beiden Lehrkrankenhäuser Okmeydani und Göztepe als Leuchtturmprojekte zahlreiche Nachahmungsvorhaben hervorbringen werden.“ Rahmenbedingungen Die beiden Krankenhäuser sollten so geplant werden, dass sie im Betrieb ohne Unterbrechung oder Einschränkung für die bestehenden Funktionalitäten und Krankenhausprozesse realisiert werden können. Die Erdbebensicherheit der Gebäudetragwerke war hierbei so auszulegen, dass bei dem so genannten Design Basis Earthquake (DBE) die sofortige Wiederinbetriebnahme des Gebäudes nach dem Erdbeben möglich ist und somit alle für den Krankenhausbetrieb wichtigen Anlagen funktionsfähig bleiben. Die Wiederkehrperiode dieses anzusetzenden Erdbebens beträgt 475 Jahre bei einer Überschreitungswahrscheinlichkeit von zehn Prozent in 50 Jahren. Erdbebensicherheit durch Basisisolation Bei den in Istanbul zu erwartenden außergewöhnlich hohen Bodenbeschleunigungen in Höhe von ca. 0,4g (Design Basis Earthquake) bzw. 0,6g (Maximum Considered Earthquake) kann die geforderte Erdbebensicherheit nur durch den Einsatz einer speziellen Technologie, der sogenannten „Basisisolation“, erreicht werden. Das Grundprinzip der Basisisolation besteht darin, das Gebäude vom umgebenden Erdreich zu isolieren. Die Tragwerksplaner von Werner Sobek Stuttgart trennten hierzu als erste Maßnahme das Gebäude vom umgebenden Erdreich mittels um das Gebäude umlaufender Stützwandkonstruktionen (Bodenvernagelung) ab. Als weitere Maßnahme wurden im untersten Geschoss spezielle Lagerkonstruktionen eingebaut, welche das Gebäudefundament von den oberhalb der Lager liegenden Gebäudeteilen trennt und somit die Isolationsebene innerhalb des Gebäudes bilden. Als Lager wurden sogenannte Triple-Friction-Pendulum-Lager vorgesehen, die sich als günstigste Lagerart im Erdbebenfall für die Krankenhäuser herauskristallisiert haben. Mit Hilfe dieser Lager konnte die 1. Eigenperiode in den für die Gebäude günstigen Bereich von ca. 3,5 sec. verschoben werden und die Beschleunigungen sowie der sogenannte Interstorey Drift innerhalb des Gebäudes im zulässigen Bereich gehalten werden. Der Nachweis der Erdbebensicherheit wurde mittels umfangreicher nichtlinearer Time-History-Analysen am dreidimensionalen Gebäudemodell erbracht. Auch für die technische Gebäudeausrüstung, die von der türkischen Firma HAN in Ankara geplant wurde, ergaben sich durch die geforderte Erdbebensicherheit besondere Anforderungen und Detaillösungen wie flexible Installationsabhängungen und Leitungsverbindungen. Interdisziplinärer Ansatz Aufgrund der baulichen Besonderheiten und des straffen Planungszeitraums ergaben sich zahlreiche Herausforderungen an die Planung. Um diese unter dem Gesichtspunkt hoher Effizienz zu meistern, wurde HWP nicht nur als Generalplaner beauftragt, sondern erbrachte auch Leistungen der Unternehmensberatung und Betriebsplanung sowie der Medizin- und Labortechnik. Durch diese projektbezogene, interdisziplinäre Zusammenarbeit mehrerer Geschäftsbereiche wurden die Planungslösungen für die Krankenhausneubauten ganzheitlich erarbeitet. Ein besonderes Augenmerk der bereichsübergreifenden Zusammenarbeit von Architekten und Ingenieuren der Medizin- und Labortechnik richtete sich auf die sorgfältige Konzeption aller Installationsvoraussetzungen, die den neuesten Stand der Medizintechnik sowie anspruchsvoll konzipierte Krankenhausinfrastrukturen erfordern. Um die Voraussetzungen des erdbebensicheren Krankenhausbauens zu erfüllen, mussten in beiden Krankenhausprojekten ein Großteil der Geräte – insbesondere aus dem Bereich der Radiologie und der Nuklearmedizin –, die Deckenversorgungseinheiten der Intensivstationen und die jeweils 28 Operationssäle sehr präzise als Speziallösung geplant werden. Die Logistik- und insbesondere die Ver- und Entsorgungskonzeption der beiden Krankenhäuser musste an die speziellen Planungsprämissen angepasst werden: Um potenziellen Schwachpunkten für den sicheren Ablauf der Krankenhausprozesse während eines Erdbebens vorzubeugen, arbeiteten Berater, Architekten und Ingenieure von HWP auch hier interdisziplinär zusammen, um entsprechende Verbindungen der Ver- und Entsorgung flexibel und damit widerstandsfähiger zu gestalten. Besonders bemerkenswert ist die hier vorgesehene Lösung auch deshalb, weil die beiden Krankenhäuser Okmeydani und Göztepe mit je einer Bruttogeschossfläche von etwa 250.000 Quadratmetern vergleichsweise große Krankenhäuser sind. Auch Fassaden und Decken müssen erdbebensicher konstruiert werden. Nutzungsbereiche Die beiden Lehrkrankenhäuser Okmeydani und Göztepe werden jeweils über Funktionsdiagnostik, 28 Operationssäle, Intensivmedizin, Strahlentherapie, Nuklearmedizin, Zentralsterilisation, stationäre Bereiche für Patienten sowie Bereiche für Lehre und Forschung, umfassende Logistik und Tiefgaragen verfügen. Zusätzlich zu diesem identischen Leistungsangebot unterscheiden sich die beiden Krankenhäuser jeweils voneinander durch einen besonderen Schwerpunkt: Im Lehrkrankenhauses Okmeydani wird ein onkologisches Exzellenzzentrum verwirklicht, in Göztepe ein pädiatrisches Exzellenzzentrum. Besonderheiten und Ausblick Nach den neuesten, vom Gesundheitsministerium verabschiedeten Klassifikationskriterien für Krankenhäuser werden die mit einer Kapazität von mehr als 1000 Betten ausgestatteten Lehrkrankenhäuser Okmeydani und Göztepe in der Kategorie A1, der qualitativ höchsten türkischen Krankenhauskategorie, eingeordnet. Damit werden der Bevölkerung der Istanbuler Bezirke Sisli und Kadiköy Krankenhäuser zur Verfügung stehen, die auch dem hohen europäischen Standard genügen. Beide Krankenhäuser streben als erste türkische Krankenhäuser eine LEED-Zertifizierung in GOLD an.

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