Neue Mitte Wilhelmsburg
Urbane Landschaft integrativ entwickeln
Der Sprung über die Elbe - Von der Norderelbe zur Süderelbe
Die Elbinsel Wilhelmsburg liegt zwischen den beiden großen Flussarmen Norderelbe und Süderelbe im Hamburger Stadtgebiet. Für die wachsende Metropole Hamburg ist die Elbinsel der zentrale Entwicklungsraum der Zukunft, geprägt durch vielschichtige Nutzungen und Strukturen unterschiedlicher Maßstäbe.
Anlässlich des 2004 initiierten Projekts ‚Sprung über die Elbe‘, einem Leitprojekt der „Wachsenden Stadt“, war Wilhelmsburg im Jahr 2013 zeitgleich Veranstaltungsort der Internationalen Bauausstellung (IBA 2013) und der Internationalen Gartenschau Hamburg (igs 2013). Schwerpunkt beider Großveranstaltungen war die „Neue Mitte Wilhelmsburg“, für die 2008 im Rahmen eines Workshopverfahrens neue Qualitäten und Standards im Städtebau und Freiraum definiert wurden.
Agence Ter und Jo Coenen Architekten & Co Luxembourg / Rolo Fütterer gingen mit ihrem Beitrag als Gewinner aus dem Workshopverfahren hervor. Ein wesentliches Ergebnis des Verfahrens war die Verlegung einer Hauptverkehrsstraße (Wilhelmsburger Reichsstraße B4/75), wodurch in Zukunft Räume für eine langfristige städtebauliche Entwicklung zwischen Hamburg-Zentrum und Hamburg-Harburg frei
werden.
Der Masterplan – ein Raumgerüst für Wilhelmsburg
Nach dem Workshopverfahren wurde von Agence Ter zusammen mit Jo Coenen Architekten & Co Luxembourg / Rolo Fuetterer ein Masterplan für die „Neue Mitte Wilhelmsburg“ entwickelt, der der Öffentlichkeit vorgestellt und Basis für die baurechtlichen Festsetzungen wurde. Der Masterplan basiert auf einer einheitlichen Gestaltungsidee für den Gesamtraum und zeigt Lösungen für Teilräume auf. Ziel ist es, mit der Elbinsel neue Maßstäbe für eine lebendige und ökologische Stadtentwicklung mit der Landschaft zu setzen: Das Zentrum der Elbinsel Wilhelmsburg wird als ein Parksystem definiert, das von Norden nach Süden die gewachsenen und neuen Strukturen quert und aufnimmt. Elementarer Bestandteil des Konzepts ist eine einheitliche ordnende Raumstruktur. Dabei folgen Architektur und Freiraumelemente demselben Prinzip: der Definition von Raumsequenzen, dem Öffnen des Raums und ihrer gegenseitigen Verzahnung.
Wilhelmsburg Mitte: Ausgangspunkt für eine langfristige Entwicklung
Der Masterplanentwurf versteht das Element Wasser in seinen unterschiedlichen Formen als Leitelement, welches die gesamte Insel durchzieht. Ausgehend davon entsteht ein übergeordnetes Wegeband, das sich entlang der Kanäle und Wasserläufe bewegt und dabei verschiedene Räume und Atmosphären durchläuft und erlebbar macht. Aufeinanderfolgende Sequenzen von Baukörpern, Baumpaketen sowie freien Platz- und Rasenflächen entlang der Neuenfelder Straße bilden die
Parkfassade.
Eine Mischung aus Wohnen, Büro, Einzelhandel und Dienstleistung sowie Hotel- und Freizeitnutzung entsteht, die eng verzahnt ist mit einem Netz aus Grünflächen. Diese grünen Korridore bilden das Rückgrat der Wilhelmsburger Mitte und verbinden gleichzeitig die Spreehafenterrassen und den igs-Sportpark miteinander. Es wurden zeitgemäße Wohnformen in attraktiver Lage zu Wasser und Park entwickelt, die den stetig steigenden Bedarf an Wohnraum bedienen. Zu den Gleistrassen hin wurden Nutzungen wie Büro und Gewerbe angeordnet.
Code Paysage - Die Codierung des Raums
Der Code Paysage führt die funktionalen und gestalterischen Anforderungen an Wilhelmsburg Mitte in einem Handbuch zusammen. Von der Masterplanung ausgehend, wird der Raum als Ganzes durch eine vertiefte Planung präziser gefasst. Basierend auf den drei Vertiefungsschwerpunkten Orientierung, Raumstruktur und Vernetzung werden Anforderungen und Planbilder in Kohärenz zum Gesamtbild entwickelt: Das Wassersystem bietet in besonderem Maße Orientierung in Wilhelmsburg Mitte. Ziel ist die Umwertung des bisher rein funktionalen hydraulischen Systems zum zentralen Bezugselement. Grundvoraussetzungen dafür sind Sichtbarkeit, Erlebbarkeit und Nutzbarkeit des Wassers.
Eine stabile und einheitliche räumliche Struktur bildet den Rahmen für unterschiedliche Aktivitäten und nicht planbare Entwicklungen. Die Raumkanten in Form von Vegetationsstrukturen und Baukörpern führen in die Tiefe des Parks und bilden Säume und Freiräume. Die Vernetzung und Erlebbarkeit der Freiräume wird bestimmt durch Verknüpfung und Öffentlichkeit von Wegenetzen und Plätzen entlang des Wassersystems.
Vom Gestaltplan bis zur Fertigstellung
Mit dem Gestaltplan Wilhelmsburg Mitte plante Agence Ter alle öffentlichen und privaten Flächen außerhalb des igs-Geländes bis zur Entwurfstiefe. In zahlreichen Abstimmungsrunden mit Investoren, Fachplanern und Behörden wurde die Ausgestaltung von Plätzen, Grünanlagen, Straßenräumen und Gewässern definiert und in Plänen dargestellt. Die Planungen des Gestaltplans wurden den Planern, Investoren und Behörden als Vorgabe für alle Baumaßnahmen in Wilhelmsburg Mitte an die Hand gegeben. Dadurch wird erreicht, dass der durch Masterplan und Code Paysage definierte einheitliche und hochwertige Stadtraum realisiert wird. Im Auftrag der IBA 2013 und der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt beriet Agence Ter bis 2013 alle Beteiligten bei der Umsetzung der einzelnen Projekte und prüfte anhand eines kontinuierlich weiterentwickelten Gesamtplans alle Planungen auf ihre Auswirkung auf den Stadtraum. Agence Ter arbeitete dabei auch mit einfachen, aber prägnanten räumlichen Visualisierungen, um auch den Nicht-Fachleuten und Bürgern eine verständliche Diskussionsgrundlage und Entscheidungshilfe an die Hand zu geben.
Für die zentralen Plätze in Wilhelmsburg Mitte, den Gertrud-von-Thaden-Platz im Osten und die Ulla-Falke-Terrassen im Westen, erfolgte die Ausführungsplanung und Bauüberwachung durch Agence Ter. Auch die Barkassenanbindung als erstmalig schiffbare Anbindung von Wilhelmsburg Mitte wurde von Agence Ter in Zusammenarbeit mit anderen Ingenieuren realisiert.
Wilhelmsburg Mitte heute
In einem sehr kurzen Zeitraum von 2008 bis 2013 wurde auf den Elbinseln Wilhelmsburg die Basis für ein neues Quartier geschaffen, welches in den nächsten Jahrzehnten flexibel wachsen kann. Die besondere Qualität der neuen Quartiersstruktur ist die Kohärenz von Stadt- und Landschaftsraum, welche die großen Industrie-, Infrastruktur- und Konversionsflächen integrieren kann. Neben den planungsrechtlich vorgegebenen Beteiligungsverfahren der Öffentlichkeit und Politik gab es eine Vielzahl von Podiumsdiskussionen, Workshops und Informationsveranstaltungen der IBA und der igs, welche trotz mancher Kritik die Bürger intensiv mit eingebunden hat. Auch Agence Ter beteiligte sich dort, um die Planungen zu erklären und Einwände und Anmerkungen mit aufzunehmen. Finanziert wurden die Projekte von Agence Ter aus dem Sonderetat von IBA 2013 und igs 2013 im Zusammenhang mit dem Leitprojekt ‚Sprung über die Elbe‘.
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